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Historisch-geografische Methode

Nach der im Rahmen der oberösterreichischen Familiennamenforschung entwickelten „historisch-geografischen Methode“ wird:

  • die Verbreitung eines Familiennamens in vorindustrieller Zeit kartiert,
  • erhoben, ob ein mittelalterlicher Hof oder eine dörfliche Ansiedlung als vermutlicher Ursprungspunkt nachweisbar ist,
  • erörtert, ob es aus Sicht der regionalen Sprachentwicklung und aus Sicht der Quellen nachweisbar oder wahrscheinlich ist, dass im 16./17. Jahrhundert dieser Orts- oder Hofname als Basis für einen Familiennamen verwendet und dann weitervererbt wurde.

Ziel ist also die Beantwortung der zwei Leitfragen:

  • Gibt es in vorindustrieller Zeit eine auffällige Verteilung im Kartenbild, eine „Verteilungswolke“?
  • Lässt sich im Bereich dieser „Verteilungswolke“ ein wahrscheinlicher Punkt (Hofname, Ortsname) ausfindig machen, der als Ursprungspunkt für diesen Familiennamen angesehen werden kann?

Viele Familiennamen bilden „Namenspaare“ oder „Namensbündel“ mit unterschiedlichen Schreibweisen, die sich aus ein und demselben Ursprung entwickelt haben. Wichtig ist festzustellen, welche Namen zu einem Bündel gehören und wo der sprachwissenschaftlich sichere oder zumindest wahrscheinliche Ursprungspunkt liegt.

Recherche statt Spekulation

Die Kartierung von Familiennamen mit Darstellung und Erörterung des wahrscheinlichen oder sicheren Ausgangspunktes ist eine gängige Methode in der Namenkunde. Für Oberösterreich hat sich gezeigt, dass sich etwa 80 Prozent der vorindustriellen Familiennamen mit dieser Methode bearbeiten lassen und dass mehr als die Hälfte des Familiennamen-Bestandes damit erklärt werden kann.

Grundsätzlich ist zu sagen: In Bereichen der Namenkunde, in denen keine weiteren Informationen aus den Archiven zu erwarten sind, kann nur mit der Methode der sprachhistorischen Rekonstruktion vorgegangen werden. Die Deutung sehr alter Orts- und Gewässernamen ist gewissermaßen sprachliche Ur- und Frühgeschichte, bei deren Interpretation man oft auf spärliche Indizien angewiesen ist.

Im Bereich der Familiennamen ist die Situation eine gänzlich andere. Die Entstehung vieler Familiennamen ist – zumindest im Bundesland Oberösterreich – im Archivmaterial gut recherchierbar und dokumentierbar. Die Anwendung spekulativer Methoden ist daher nur im Bereich der Hypothesenbildung sinnvoll. Für eine endgültige Deutung sind Rekonstruktion, Analogiebildung und Spekulation nur dort zulässig, wo die Archivrecherche negativ verlaufen ist. Themen, die man recherchieren kann, soll man nicht spekulativ bearbeiten.

Kombinierte Darstellung

Für Oberösterreich ist nach derzeitiger Schätzung davon auszugehen, dass zwischen 60 und 80 Prozent des autochthonen Familiennamenbestandes als Ableitungen von kleinen und kleinsten Siedlungseinheiten zu erklären sind. Bei der Namengebung standen vermutlich Fragen wie „Wo wohnt diese Person?“ oder „Wie heißt der Wohnort, das Wohnhaus?“ im Vordergrund. Dabei ging es also offenbar weniger darum, welchen Beruf eine Person ausübte, sondern eher darum, wo sie wohnte.

Die Methode der Kombination von Ursprungspunkt und geografischer Verteilung wurde für Oberösterreich erstmals von K. Hohensinner anhand ausgewählter Fragestellungen eingesetzt (vgl. Karl Hohensinner: Familiennamen-Atlas von Oberösterreich. Namen und Berufe. Linz: RegionalEdition 2011).

B. Wöss hat diese Methodik übernommen und zur Grundlage seiner Dissertation über die -müller-Namen gemacht (vgl. Bertold Wöss: Familiennamen in Oberösterreich. Von den ‘Mühlennamen’ zu den daraus abgeleiteten ‘Müllernamen’. Univ.-Diss. Salzburg 2015). Darin konnte er zeigen, dass das überaus seltene Vorkommen des Familiennamens Müller in Oberösterreich darin begründet liegt, dass bei der Prägung der Familiennamen im 17. Jahrhundert vorrangig auf den jeweiligen Hofnamen zurückgegriffen wurde, zu welchem dann eine -er-Ableitung gebildet wurde.