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János Batsányi

Porträt von Friedrich Heinrich Füger, 1808 / Ungarisches Nationalmuseum, Budapest

(auch: János Bacsányi)
Geb. 9.5.1763 in Tapolca (Westungarn), gest. 12.5.1845 in Linz.
Dichter, Sprach- und Literaturwissenschaftler, politischer Denker.

Batsányi gilt als einer der wichtigsten Vertreter der ungarischen Aufklärung und als Begründer der kulturellen Modernisierung in Ungarn. Da er die letzten fünf Jahrzehnte seines Lebens außerhalb seiner Heimat und so gut wie völlig isoliert verbrachte, kann er zugleich zu den großen Außenseitern der ungarischen Literatur gerechnet werden. 
Er entstammt einer armen Handwerkerfamilie in einem Marktflecken unweit des Plattensees. Mit Begabung und Beharrlichkeit konnte er sein Philosophie- und Jurastudium in Pest (heute: Budapest) vollenden und die damals ungewöhnliche Karriere eines nichtadeligen Intellektuellen antreten. 1787 wurde er Kameral-Schreiber in Kaschau (ung. Kassa; heute: Košice, Slowakei). 1788 gründete er zusammen mit seinem späteren Feind Ferenc Kazinczy (1759-1831) die Zeitschrift Magyar Múzeum ("Ungarisches Museum"), in der seine ersten Gedichte und Abhandlungen erschienen. Ein von der Zensur genehmigtes Gedicht auf die Französische Revolution brachte ihm 1789 eine polizeiliche Untersuchung ein, die zwar ein Jahr später eingestellt wurde, das Magyar Múzeum aber wurde verboten und Batsányi aus seinem staatlichen Amt entlassen. Er wurde Sekretär bei einem Magnaten und mit dem Dominikanermönch Ignác Martinovics (1755-1795) bekannt, der in dessen Kreis verkehrte und eine jakobinische Verschwörung anzettelte, die 1794 aufgerollt wurde. Der unbeteiligte Batsányi wurde in diesem Zuge wegen seiner politischen Ansichten zu einem Jahr Haft verurteilt, die er in Kufstein absitzen musste. Die dort entstandenen Elegien gehören neben den revolutionären Jugendgedichten zu seinen bekanntesten Werken.

Nach seiner Entlassung kehrte Batsányi nicht mehr nach Ungarn zurück, sondern wurde in Wien sesshaft, wo er schnell Zugang zu den Literatenkreisen fand. Die Wiener Jahre waren eine produktive Zeit: Er schrieb zahlreiche Gedichte und Studien (z. B. A fordításról, "Über das Übersetzen"). Außerdem begann er, die Gesänge des Ossian nachzudichten, und beteiligte sich an den Debatten um die ungarische Sprachreform. Da er seine ungarischen Werke nicht veröffentlichen konnte, fing er an, auf Deutsch zu schreiben und zu dichten. Zwischen 1803 und 1809 schuf er sein deutschsprachiges Hauptwerk, den Gedichtzyklus Der Kampf, in dessen Anhang er ein monumentales Traktat Über das neue europäische Staatensystem oder die republikanisch konstitutionelle Monarchie mit dem Programm eines vereinigten und demokratischen Europa veröffentlichte. Das Buch ist bis auf ein einziges Exemplar, das erst 1963 auftauchte, verschollen.

Im Kreis des Wiener Musenalmanachs lernte er die Dichterin Gabriele Baumberg kennen, die er nach langjähriger Bekanntschaft 1805 heiratete. Als französische Truppen im Mai 1809 Wien besetzten, traf Batsányi Napoleons Außenminister Hugues Bernard Maret (1763-1839), mit dem er in Kufstein zusammen eingesessen war, wieder und wurde mit geheimen Aufgaben betraut. Wahrscheinlich deshalb floh er im November, als die Franzosen Wien verließen, nach Paris, wo er aber keine Anstellung finden konnte. Im August 1815, als die österreichischen Truppen in Paris einmarschierten, wurde er von Feldmarschall Karl Philipp Schwarzenberg (1771-1820) verhaftet. Batsányi hatte die ganze Zeit über literarisch intensiv gearbeitet; seine Schriften wurden bei der Verhaftung aber konfisziert und nie wiedergefunden. Nach einer einjährigen Untersuchungshaft, die er in Spielberg (Mähren) absaß, wurde das Verfahren abgebrochen; Batsányi wurde nach Linz gebracht, wo er auf unbestimmte Zeit interniert wurde und die restlichen 29 Jahre seines Lebens verbrachte. Er durfte die Stadt nicht verlassen und stand bis zu seinem Tod unter strenger polizeilicher Kontrolle.
Die Linzer Periode sollte trotzdem nicht nur negativ beurteilt werden. Er lebte in geordneten Verhältnissen, konnte schreiben (im hohen Alter verfasste er vorwiegend Flugschriften über Literaturkritik und ungarische Spracherneuerung) sowie mit ungarischen Literaten und Wissenschaftlern korrespondieren. 1827 durfte er sogar eine Auswahl seiner Gedichte in Ungarn veröffentlichen; diesem Band folgte 1835 eine zweite, erweiterte Ausgabe. 1843 wurde der 80-Jährige sogar zum Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Er pflegte gute Beziehungen zu zahlreichen Linzer Bürgern; erwähnenswert ist seine Freundschaft mit dem Lithographen Josef Hafner (1799-1891), der nach Batsányis Tod den Nachlass gerettet hat.

Im "Federkrieg" um die Modernisierung der ungarischen Sprache und Literatur trug Batsányis Rivale Kazinczy den Sieg davon. Kazinczy, der zwischen 1794 und 1801 ebenfalls gesessen hatte, wurde der Fahnenträger der damaligen kulturellen Progression in Ungarn. Sämtliche Protagonisten der ungarischen Romantik und Vormärzliteratur waren seine Jünger. Sie sahen in Batsányi nur noch ein lebendes Denkmal, einen Zeitzeugen, der sich selbst überlebt hatte. Ein differenzierteres Bild entstand erst Ende der 1960er Jahre, nachdem Der Kampf veröffentlicht wurde. Batsányi war als Denker nach einer kurzen revolutionären Phase ein Vorläufer des modernen Liberalismus. Als Dichter, dessen strenger Klassizismus mit der zeitgenössischen Lyrik immer noch nicht dialogfähig ist, bleibt er neben Kelemen Mikes (1690-1762) und Sándor Márai (1901-1989) einer der großen Einsamen in der ungarischen Literatur.

László Márton

 

Összes Müvei [Sämtliche Werke]. Hg. von Dezsö Keresztury und Andor Tarnai. 4 Bde. Budapest 1953-1967 (Historisch-kritische Ausgabe mit detaillierter Biografie). 

Horánszky, Lajos: Batsányi János és kora [János Batsányi und seine Zeit]. Budapest 1907. - Vajda, Ilona: Batsányi János és Baumberg Gabriella [János Batsányi und Gabriele Baumberg]. Budapest 1938. - Bíró, Ferenc: A látó [Der Seher]. In: Ders.: A felvilágosodás korának magyar irodalma [Ungarische Literatur im Zeitalter der Aufklärung]. Budapest 1995, 130-165.