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Ludwig Wittgenstein

© Bildarchiv Austria / ÖNB, Wien

Geb. 26.4.1889 in Wien, gest. 29.4.1951 in Cambridge.
Der aus angesehenem jüdisch-österreichischen Großbürgertum stammende analytische Sprachphilosoph und Logiker ist einer der bedeutendsten Denker des 20. Jh.

In der Biografie Ludwig Wittgensteins lassen sich regionale Bezüge, namentlich zu Linz und Gmunden herstellen. Als jüngstes von insgesamt acht Kindern der äußerst wohlhabenden, in Wien ansässigen Industriellenfamilie Karl und Leopoldine (geb. Kallmus) Wittgenstein wuchs der junge Ludwig unter behüteten, psychisch jedoch belasteten Verhältnissen auf - der Vater war sehr autoritär, zwei der Brüder begingen Selbstmord, eine Prädisposition der Familie zu hoher Intelligenz sowie Melancholie und Depression lässt sich erkennen. Nach einer zunächst privaten Erziehung besuchte Wittgenstein ab 1903 die k. u. k. Staatsoberrealschule in Linz, an der er 1906 maturierte. Der Grund für die Wahl des angesichts des familiären Lebens nicht gerade naheliegenden Ortes war, dass der Schüler aufgrund seiner mangelnden Vorbildung an einem Wiener Gymnasium keine Aufnahme gefunden hätte (vgl. Nedo/Ranchetti 1983, 352). Dass sich von 1900-04 in derselben Schule auch der bis auf wenige Tage gleichaltrige Adolf Hitler (1889-1945) befunden hat, ist nicht mehr als Zufall; die beiden Schüler haben sich vermutlich nicht gekannt. Während Hitler das erste Jahr wiederholte und 1904 nach Steyr kam, wo er die Schule ohne Abschluss verließ, studierte Wittgenstein später an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg Maschinenbau und ging 1908 nach Manchester, wo er dem für ihn einflussreichen Bertrand Russell (1872-1970) begegnete. Wittgensteins Beschäftigung mit philosophischen Fragen überwog immer mehr, sodass er das ursprüngliche Berufsziel Ingenieur aufgab und sich auf Russells Rat hin schließlich ganz der Philosophie zuwandte und 1912 nach Cambridge (Trinity College) übersiedelte. Nach dem Tod des Vaters 1913 erbte er ein riesiges Vermögen, auf das er weitgehend verzichtete.

U. a. in selbst gewählter Einsamkeit in Skjolden (Norwegen) entwickelte Wittgenstein die Grundlagen seines Tractatus logico-philosophicus, den er erst 1921 veröffentlichte. Nach freiwilligem Kriegseinsatz auf österreichischer Seite, beschloss er 1919, Lehrer zu werden, unterrichtete einige Jahre in Niederösterreich und verfasste ein Wörterbuch für Volksschulen. 1926 reichte er seine Entlassung ein, nachdem es zu Spannungen und einem Zwischenfall mit einem Schüler, den er geohrfeigt hatte, gekommen war. Daraufhin widmete er sich gemeinsam mit dem Architekten Paul Engelmann (1891-1965), einem Schüler von Adolf Loos (1877-1933), der Planung und dem Bau eines modernen Stadtpalais in der Wiener Kundmanngasse für seine Schwester Margarethe (1882-1958). Diese hatte den amerikanischen Industriellen Jerome Stonborough geheiratet und mit ihm 1913 die Villa Toscana in Gmunden erworben, wo sich gelegentlich auch ihr Bruder aufhielt.
Nach Kontakten zum Wiener Kreis um Moritz Schlick (1882-1936) kehrte Wittgenstein 1929 nach Cambridge zurück, wo er bei Bertrand Russell promovierte und mit Lehraufträgen den Lebensunterhalt bestritt. 1939 erhielt er eine Professur für Philosophie. Abgesehen von einzelnen Reisen, die ihn gelegentlich nach Österreich führten, lebte er bis zuletzt in England. Ab 1949 machten sich gesundheitliche Probleme bemerkbar, es wurde Krebs diagnostiziert, doch Wittgenstein verzichtete bewusst auf eine medizinische Behandlung. Er starb am 29. April 1951 und wurde in Cambridge begraben. 1953 erschien posthum das Spätwerk Philosophische Untersuchungen.

Wittgensteins Einfluss auf die moderne Geistesgeschichte, insbesondere Sprachphilosophie und Logik, ist unbestritten nachhaltig. Thomas Bernhard lieferte er nicht zuletzt das Vorbild für die fiktive Figur Roithamers in seinem Roman Korrektur, und Richard Wall machte sich auf die Spuren von Wittgenstein in Irland (1999), wo sich der Philosoph Ende der 1940er Jahre zeitweise aufhielt. 

Bernhard Judex

 

Tractatus logico-philosophicus (1921). Frankfurt/Main 1963. - Philosophische Untersuchungen (1953). Frankfurt/Main 1967. - Über Gewißheit. Frankfurt/Main 1970. Hg. von Gertrude E. M. Anscombe. - Werkausgabe (in 8 Bänden). Frankfurt/Main 1984ff.

Baker, Gordon P.; Hacker, Peter M.: Analytical Commentary on the Philosophical Investigations. Oxford 1985ff. - Hacker, Peter M.: Einsicht und Täuschung. Wittgenstein über Philosophie und die Metaphysik der Erfahrung. Frankfurt/Main 1989. - Kienzler, Wolfgang: Ludwig Wittgensteins Philosophische Untersuchungen. Darmstadt 2007. - Nedo, Michael; Ranchetti, Michele (Hg.): Wittgenstein. Sein Leben in Bildern und Texten. Frankfurt/Main 1983. - Schulte, Joachim: Leben. Werk. Wirkung. Frankfurt/Main 2005. - von Wright, Georg Henrik: Wittgenstein. Frankfurt/Main 1986. - Wall, Richard: Wittgenstein in Irland. Klagenfurt 1999. - Wuchterl, Kurt; Hübner, Adolf: Wittgenstein. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg 1979. - Vossenkuhl, Wilhelm: Ludwig Wittgenstein. München 1995.