Suche
Hauptinhalt

iwahaubbd. dialektgedichte

Sammlung der Dichtungen Friedrich Achleitners im Innviertler Dialekt, erschienen 2011 im Verlag Zsolnay (Wien).

Ein Heft der Zeitschrift alpha, so erinnert sich Friedrich Achleitner im Nachwort seines Gedichtbands iwahaubbd, hat ihn zum Schreiben gebracht. Es enthielt Mundartgedichte von H.C. Artmann und Gerhard Rühm, die das ästhetische Potenzial regiolektaler Eigenheiten für eine progressive Literatursprache ausloteten und ihn seinen "Innviertler Dialekt mit anderen Ohren" hören ließen. Aus diesem phantasiefördernden Wahrnehmungswechsel gingen seine eigenen lyrischen Beiträge hervor, die das künstlerische Profil der Wiener Gruppe wesentlich mitprägen und der Konkreten Poesie neue Ausdrucksmöglichkeiten erschließen sollten. Im Gegensatz zu Achleitner und Rühm, die den (ostmittelbairischen) Wiener Großstadtdialekt bearbeiteten, formt Achleitner seine Klang- und Sinngebilde aus dem Westmittelbairischen seiner dörflichen Heimat, das er als "trocken strukturierte Sprache" charakterisiert, "in erster Linie mit einer Arbeitswelt verbunden, im persönlichen Umgang aber suggestiv, [...] sich rhythmisch wiederholend, überredend, ja bedrängend statt argumentierend" (204). Mit seinen kompromisslos insistierenden Literarisierungen dieser dialektalen Eigenheiten brachte er einen ganz eigenen Ton in den legendären Dialektband hosn rosn baa (1959), der der Wiener Gruppe eine ungeahnte Breitenwirksamkeit bescherte.

In iwahaubbd legte Achleitner 2011 eine Summa seiner Dichtungen im Dialekt vor, die vordergründig eine lesernahe Mündlichkeit inszenieren, doch in der innovativen Verfremdung durch phonetische Verschriftlichung, typographisches Arrangement und experimentelle Formgebung wieder die nötige Distanz schaffen, um sich von der rückständigen Banalität heimatverklärender Laienpoesie abzuheben. Die fünf Kapitel obdaennsa (i.e. oberösterreichische) 1955-1970, dialekt 1970-2005, schnodahibbfö, gschdanzl und innviaddla liddanai spielen mit dem Phonem-Material des Innviertlerischen, das dem des deutschen Standards an Vielfalt weit überlegen ist und hier lustvoll ausexerziert wird. So laden die Gedichte als bildmächtige melodisch-rhythmische Klangerlebnisse zum Dechiffrieren ebenso ein wie zum Wiedererkennen des Eigenen und sorgen mit unvermuteten Kehrtwendungen für unzählige Aha-Effekte.

Beeindruckend ist das breite Formenspektrum, das der Band entfaltet. Schon der erste Teil bietet: minimallyrische Gesprächssituationen, die sich etwa in der prosodischen Variation dreier Silben entfalten können ("wos / na / ge // ge / na / wos // na / wos / ge // ge / wos / na // wos / ge / na // na / ge / wos", 7), quasi-meditative Mundartmantras (49, 51), impressionistische Skizzen, die oft auch einen sexuellen Ausdeutungshorizont eröffnen (34) oder mit koprolalischen Tabubrüchen reizen (52), lyrische Miniaturen ("bfaiawea is / umigfoan // sauddo is a / umigfoan // sbenzinrall is a / umigfoan // da rallfoara is a / umigfoan /// und daon hods / duschd", 13), witzige Bildgedichte (45, 89), auf Pointe gearbeitete Mikrodramen (48, 58), zungenbrecherisch alliterierende Sprachspielereien ("zon zau zuwö zaond dsun zuwö zoda zilli zuwö / a", 31) oder Wortkonglomerate, die eindrucksvolle Stimmungs- und Lebensbilder malen (35, 53). In ähnlicher Weise macht sich auch der zweite Teil den Hang des Mundartlichen zur Konzision, Elision und Allusion zunutze, um einem möglichst reduzierten Sprachmaterial ein Maximum an Bedeutung abzugewinnen. In Verbindung mit stark rhythmisierenden Repetitionsfiguren entstehen dabei äußerst eingängige Arbeiten, deren Bezug zu altem Singgut wie den beliebten ‚Trutzgsangln‘ (105, 111, 119) unübersehbar ist. Dezidiert in volkskulturelle Traditionslinien stellen sich die abschließenden Schnaderhüpfl und Gstanzln sowie die Langform der Innviertler Litanei. Sie belegen, wie problemlos sich altbewährte Muster für zeitgemäße Aktualisierungen, sprachreflexiven Klamauk oder auch dadaistischen Nonsens adaptieren lassen. Unterhaltsam sind die Gedichte allesamt und nicht wenige davon führen das Publikum auf noch unentdeckte Sprach- und/oder Sinnebenen.

Christian Neuhuber

 

Friedrich Achleitner: iwahaubbd. dialektgedichte. Wien 2011.

Kraßnitzer, Iris: Welt aus Sprache. Sprachreflexion in Friedrich Achleitners Kurzprosa. Dipl.-Arb. Univ. Wien 2011. - Rühm, Gerhard (Hg.): Die Wiener Gruppe. Reinbek bei Hamburg 1985. - Vallaster, Günter: Friedrich Achleitner: iwahaubbd. In: Buchmagazin des Literaturhaus Wien, 10.10.2011. - Zeyringer, Klaus: Friedrich Achleitner: Sprachspieler, Wortkünstler. In: Der Standard, 15.5.2015.