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Walter Pilar

© Peter Lahnsteiner

Geb. 1.8.1948 in Ebensee; gest. 1.1.2018 in Linz.
Walter Pilar zählt zu den mit Sprache experimentell verfahrenden zeitgenössischen Schriftstellern Oberösterreichs, der sich auch mit der bildenden Kunst und visuellen Umsetzung von Texten auseinandersetzt.

Pilar bezeichnet sich selbst als "KunstWandwerker & Rauminstallatör" und ist als Schriftsteller und Kunstgrafiker tätig. Gemeinsam mit Hans Kienesberger war er Herausgeber der Text-Bild-Sammlung Der Traunseher (1978-81). 1990 erhielt er den oberösterreichischen Landeskulturpreis, 2003 gemeinsam mit Elisabeth Reichart das Adalbert-Stifter-Stipendium. Er lebt in Linz.
Pilar gilt als "mehrfach begabt" (Siebeneicher), als ein "Multitalent" (Lengauer 1997, 107). Ausdrücklich gelobt wird seine "Genauigkeit in der dialektalen Schreibweise [...] er hält nicht nur Augen und Ohren offen: Er hat Sprach-Augen und Sprach-Ohren offen, er hat eine Sprach-Haut, die zart und reizbar ist und durchgehend erogene (sprach-erogene) Zone" (ebd.).

Pilar tritt anfänglich vor allem als Lyriker in Erscheinung. Schon in seinem ersten Lyrikband Jederland (1983) spielt die Intertextualität eine bedeutende Rolle. Die Topografie Oberösterreichs (Linz) und insbesondere des Salzkammerguts (Gmunden, Ebensee, Lambach, Wimsbach-Neydharting, Sonnstein usw.) wird dabei ebenso selbstverständlich in den Texten verarbeitet wie deren Mythopoesie ("Schlafende Griechin", "Ewiger Riese", "Heidenstein"). Mitunter sprachspielerisch (wie im Gedicht An den gestolbenen Opapa) und formal avanciert verweisen Pilars frühe Gedichte auf die dichterische Praxis der Wiener Avantgarde (H. C. Artmann, Friedrich Achleitner, Ernst Jandl).
Auch in seinem folgenden Lyrikband An sanften Samstagen (1986) erweist sich der Autor als Dichter der oberösterreichischen Hauptstadt Linz, der er allerdings erst in dem gemeinsam mit Herbert Vorbach herausgegebenen Band Augen auf Linz (1990) ein veritables literarisches Denkmal setzt.

Pilars Textsammlung POÖsie (1988) verweist schon im Titel auf ihr regionales Substrat. In dem Gedicht Architekturbezogenes Salzkammergutachten verändert Pilar das "Salzkammergut" zum "Salzkammerschlecht" und steigert dies zum "Salzkammerschlächter" (7). Der Prosatext Regionales Minimal oder: Das richtige Zitat zum richtigen Zeitpunkt verweist auf die bereits erwähnte Bedeutung des Zitats für das Schreiben des Autors. Topografisch in der "duftenden Traunseelandschaft" verortet, kreist der Text um die "für das Salzkammergut typisch[e] Redewendung" "Jetzt haod se si eingrengt!" (33). Den Band beschließen Gedichte, die unter dem Titel Am & um den Traunsee stehen, sowie Gipfelbuchlyrik & -prosa.

Der Traunsee bildet zweifellos ein zentrales Motivreservoir für den aus Ebensee gebürtigen Autor. Beide Orte hat er in seinem zweibändigen "autoautopsischen Biografföweak" (Pilar 1996, 58) Lebenssee in der genialen, Titel gebenden Metapher poetisch verschränkt. Sein "grandioses Stück-Werk" (Siebeneicher), das anekdotische Autobiografie und zitierende Textkritik verbindet, ist ein Sammelsurium des Skurrilen ("Skurrealen") - das mundartliche "Grafföweak" meint eine Ansammlung von "wertlosen Resten", des "'Plunders' in dem schönsten Stifterschen Sinn" (Lengauer 1997, 106) -, der Versuch, eine fragmentarisch-bruchstückhafte Autobiografie als hybriden Text-Körper zu schreiben, in den Texte aus Schulbüchern, Kinderbüchern, Familienfotos, Kinderzeichnungen, Skizzen - "Grafföweak" als "graphisches Werk" verstanden (vgl. ebd.) - Abbildungen aus Lesebüchern, Zeitungen und Zeitschriften, Comics, Werbeplakate und diverse andere Fundstücke eingehen. Aus all dem wird ersichtlich, wie sehr ein (Kinder-)Leben durch Texte und Bilder generiert ist und umgekehrt selbst Texte und Bilder generiert. Der Vergleich des Pilar'schen Verfahrens mit Methoden der Alltagsgeschichtsschreibung (etwa Wolfgang Kos' Eigenheim Österreich, vgl. ebd.) ist deshalb durchaus legitim. Lebenssee ist jedoch weniger eine "Art fröhlich[e] Landesgeschichte des Alpenländischen" (Siebeneicher) als ein höchst komplexer Kommentar und zugleich, sozusagen als "Nebeneffekt" (Lengauer 1997, 106), eine Kritik kindlicher Lebenswelten in einer spezifischen, zeitlich genau eingrenzbaren ländlichen Gemeinschaft.

Mit W.P. in Krumau & anderswo: Achsen des Augenblicks (2007) führt Pilar die Linie der ironischen Selbstbiografie und Alltagsgeschichtsschreibung, wie er sie mit Lebenssee eindrucksvoll begonnen hat, fort. Allerdings überträgt er sein literarisches Konzept auf ein größeres Gebiet. Nicht mehr die beschränkte Welt des kleinen Oberösterreich bildet hier den topografischen Hintergrund, sondern die potenziell unbeschränkte Weite des "Anderswo".

Walter Pilar erhielt den OÖ. Landeskulturpreis für Literatur 1990 und das Adalbert-Stifter-Stipendium 2003.

Nicole Streitler

 

Jederland. Gedichte. Wien 1983. - An sanften Samstagen. Wien 1986. - POÖsie. Werkstatt-Druck mit einem Linolschnitt des Autors. Ulrichsberg 1988. - [Gemeins. mit Herbert Vorbach:] Augen auf Linz. Linz 1990. - Der Mooswoche siebenter Tag. Wien 1989. - Eingelegte Kalkeier. Wien 1993. - Lebenssee I. Eine skurreale Entwicklungsromanesque. Klagenfurt u. a. 1996. - Lebenssee II. Gerade Regenbögen. Klagenfurt u. a. 2002. - W.P. in Krumau & anderswo: Achsen des Augenblicks. Klagenfurt u. a. 2007. - Lebenssee III. Wandelalter. Klagenfurt 2015.

Hackl, Wolfgang: weichbild dieser stadt. Texte und Bilder von Walter Pilar: eine poetische Kulturreise. In: Die Furche 50/2007. - Hackl, Wolfgang; Wiesmüller, Wolfgang (Hg.): Porträt Walter Pilar (= Die Rampe 2010, H. 3). - Lengauer, Hubert: Walter Pilar. Lebenssee. Eine skurreale Entwicklungsromanesque. In: wespennest 108 (1997/9), 106f.