In den 1840er Jahren trat die früh verwaiste Tochter eines Militärarztes in Wien eine Stelle als Gesellschafterin bei Fürstin Maria Anna Schwarzenberg (1768-1848) an. Das legte nicht nur den Grundstein für ihre lebenslangen Kontakte zum Adel, sondern hier traf Paoli auf die Intellektuellen und Künstler ihrer Zeit - wie schon in ihrer vorherigen Stelle bei der jüdischen Salonière Henriette Wertheimer (1804-1888). Adalbert Stifter, regelmäßiger Gast im Hause Schwarzenberg, wurde von Paoli und der Fürstin zu zwei Figuren in seinem Roman Der Nachsommer inspiriert. Als die Fürstin 1848 starb und die revolutionären Ereignisse dieses Jahres die Situation der unverheirateten Dichterin in Wien erschwerten, zog Paoli nach Deutschland und verdiente mit Veröffentlichungen (darunter ihre ersten Zeitungsbeiträge), mit Sprachunterricht und als Gesellschafterin ihren Unterhalt. Den Vorschlag Stifters nach Linz zu ziehen, lehnte sie ab.
Anfang der 1850er Jahre unternahm Betty Paoli Reisen nach Frankreich und Italien, über die sie in Reisefeuilletons für die Österreichische Zeitung Lloyd berichtete. 1853 ließ sie sich wieder dauerhaft in Wien nieder. Als Gesellschafterin von Elisabeth von Bagréeff-Speranski traf sie regelmäßig mit Franz Grillparzer zusammen, über den sie 1875 das Buch Grillparzer und seine Werke verfasste. Ab 1855 lebte Paoli in der Familie des jüdischen Kaufmanns Karl Fleischl-Marxow, durch deren Unterstützung sie bis zu ihrem Tod eine Existenz als freie Schriftstellerin führen konnte. Neben Gedichten verfasste Paoli Novellen, Feuilleton-Beiträge zu sozialen Fragen wie z.B. der Lage bürgerlicher Frauen und war ab 1856 als Übersetzerin französischer Salonstücke für das Burgtheater tätig.
Karin S. Wozonig
Gedichte. Pesth 1841 (2. erw. Aufl. 1845). - Nach dem Gewitter. Pesth 1843 (2. erw. Aufl. 1850) - Die Welt und mein Auge. Novellen. 3 Bände. Pesth 1844. - Romancero. Leipzig 1845. - Neue Gedichte. Pesth 1850 (2. erw. Auflage 1856). - Lyrisches und Episches. Pesth 1855. - Wien's Gemäldegalerien in ihrer kunsthistorischen Bedeutung. Wien 1865. - Neueste Gedichte. Wien 1870. - Grillparzer und seine Werke. Stuttgart 1875. - Gedichte. Auswahl und Nachlaß. Hg. von Marie von Ebner-Eschenbach. Stuttgart 1895. - Gesammelte Aufsätze. Eingel. und hg. von Helene Bettelheim-Gabillon. Wien 1908. -Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht? Hg. und eingel. von Eva Geber. Mit einem Essay von Karin S. Wozonig. Wien 2001.
Bettelheim-Gabillon, Helene: Zur Charakteristik Betty Paolis. In: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft X (1900), 191-250. - Dies.: Betty Paoli. Ein Gedenkblatt zu ihrem hundertsten Geburtstag. In: Westermanns Monatshefte 59 (1914/15, 2. Teil), H. 117, 666-674. - Halper, Josef: Einleitung. In: Betty Paoli: Die schwarzgelbe Hyäne. Graz 1957, 5-30. - Rose, Ferrel: Betty Paoli. In: Donald G. Daviau (Ed.): Major Figures of Nineteenth-century Austrian Literature. Riverside 1998, 387-416. - Wozonig, Karin S.: Betty Paoli und die schönen Frauen. In: Nestroyana. Blätter der Internationalen Nestroy-Gesellschaft 1-2 (2009), 72-81. - Dies.: "Betty Paoli". In: Walther Killy (Hg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. 2. Aufl. Berlin, New York 2010, Bd. 9, 75-77. - Dies.: Die andere Bildungsreise. Mobilität und Politik im Leben der Autorin Betty Paoli (1814-1894). In: Elena Taddei, Michael Müller, Robert Rebitsch (Hg.): Migration und Reisen. Mobilität in der Neuzeit. Innsbruck 2012, 201-212. - Zinck, Karl Hugo: Betty Paoli und Adalbert Stifter. In: VASILO (= Vierteljahresschrift des Adalbert-Stifter-Institutes) 22 (1973), 121-132. - Ders.: Betty Paoli und Dr. Josef Breuer in ihrer Zeit. In: VASILO 25 (1976). 143-159.