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Christoph Wilhelm Aigner

© C.W. Aigner

Geb. am 18.11.1954 in Wels.
Zunächst als Lyriker für seine knappen und einfachen Gedichte vielfach gelobt, arbeitet der Autor auch als Verleger, Übersetzer, Prosaautor, Librettist und bildender Künstler mit Polaroid-Collagen.

Nach der Matura 1973 an einem Gymnasium in Wels Studium der Germanistik, Kommunikationswissenschaft und Sportwissenschaft in Salzburg, neben dem Studium freier Mitarbeiter beim ORF und von 1979-84 Redakteur des Salzburger Tagblatt, 1985 Gründung des Verlags "Salzburger AV Edition", den er bis 1997 leitete. Seit 1992 längere Aufenthalte in Italien, 1998 hielt er in Innsbruck Poetikvorlesungen, seit 2010 lebt er wieder überwiegend in Salzburg. Mehrmals bekam er Aufenthaltsstipendien zugesprochen, u. a. 1993 und 1994 in Schloss Wiepersdorf, 2004 als Dresdner Stadtschreiber, 2008/09 im Künstlerdorf Schöppingen, 2009 "Testimone" di Caorle. 2009/10 Ausstellungen seiner PolColls in Wien, Frankfurt, Innsbruck und Caorle.  

Knappheit, Lakonie und Einfachheit zeichnen die Gedichte Aigners aus, die um klassische Themen wie Einsamkeit, Liebe und Natur kreisen, wobei die Tendenz zur Verdichtung und Kürze von Band zu Band steigt. Die Natur ist in Aigners Gedichten keine Idylle, er sucht Disparates festzuhalten, die Schönheit der Natur ebenso wie die Gefährdung des Naturschönen. Schon in seinem ersten Gedichtband Weiterleben (1988) reflektiert er über seine Lyrik: "Ein Rest von Geheimnis, Befremden, auch eine Prise Pathos, das sind die Gewürze des Gedichts. Überwürzt schmeckt die bestgemeinte Speise scheußlich." (99) In seinem dritten Gedichtband Landsolo (1993) bekennt er: "Ich bin froh, daß ich die Welt sehen darf. Nur denke ich nach, auf welche Weise es möglich ist, diese Welt wahrzunehmen. Also erfinde ich Bilder. Oder finde ich?!" (7) Eine Fortsetzung findet sein Nachdenken im poetologischen Essay Engel der Dichtung (2000), formal die Beschreibung einer Lesereise. Er verweist darin auf die vielfältigen Möglichkeiten der Wahrnehmung: "Für mich sind Gedichte Lebewesen". (40)

Aigner wurde früh von Kollegen und Kolleginnen gelobt, u. a. schrieb Erich Fried (1921-1988) im Nachwort von Weiterleben, dass dieser "nur mit den einfachsten Mitteln arbeitende Dichter einer der originellsten heute in deutscher Sprache schreibenden Lyriker ist, einer, der an Spannweite seiner Dichtung die meisten Zeitgenossen übertrifft." (104). Sarah Kirsch betitelte ihre begeisterte Besprechung von Landsolo in Die Zeit mit "Ein seltener Glückskarfunkel", trat bei Lesungen gemeinsam mit ihm auf, und beide gaben jeweils ein Buch des anderen heraus. Erstmals werden 1995 sämtliche weltliche Lieder des Mönchs von Salzburg, die ein lebendiges Bild des spätmittelalterlichen Lebensgefühls des 14. Jh. vermitteln, in einer Übertragung von Aigner publiziert. Als Übersetzer überträgt er Prosa von Federigo Tozzi (1883-1920) und Gedichte von Giuseppe Ungaretti (1888-1970) aus dem Italienischen ins Deutsche.

Nach der längeren Erzählung Anti Amor (1994) und den beiden Prosabänden Mensch. Verwandlungen (1999) sowie Logik der Wolken (2004) erscheint 2006 sein erster Roman Die schönen bitteren Wochen des Johann Nepomuk, in dem er vom siebzehnjährigen Johann Nepomuk erzählt, dessen Leben in Familie, Schule und auf der Straße von Gewalt und Brutalität geprägt ist. Als Ausweg erweist sich zunächst das Fußballspiel, nach der Begegnung mit der gehbehinderten Mariella kommt eine weitere Option hinzu: die Kunst. Alle Fäden verweben sich zu einem über 400 Seiten langen Panorama einer österreichischen Kleinstadt, die unschwer als Wels zu erkennen ist, zu Beginn der 1970er Jahre. Aigner erzählt mit sprachlicher Virtuosität, "die die Grausamkeiten der österreichischen Provinz zur großen Literatur macht." (Längle 2006). In seinem Buch Eigenleben oder wie schreibt man eine Novelle (2011) kombiniert Aigner seine Serie von 41 Polaroid-Collagen, die im Winter 1992/93 in Marina di Cecina entstandenen sind, mit einer Novelle, in der er die Geschichte der Entstehung beschreibt und Sprache und Bild als "merkwürdige Ereignisse in Italien" begreift.

Preise u. a. 1982 Förderpreis zum Georg-Trakl-Preis, 2004 Anton-Wildgans-Preis, 2006 Österreichischer Würdigungspreis für Literatur, 2011 Landeskulturpreis für Literatur des Landes Oberösterreich.

Christa Gürtler

 

Katzenspur, Verse und Marginalien. Salzburg 1985. - Weiterleben, Gedichte. Salzburg 1988. - Drei Sätze, Gedichte. Salzburg 1991. - Landsolo, Gedichte. Salzburg 1993. - Anti Amor, Erzählung. Stuttgart 1994. - Das Verneinen der Pendeluhr, Gedichte. Stuttgart 1996. - Die Berührung, Gedichte. Stuttgart 1998. - Mensch. Verwandlungen. Stuttgart 1999. - Engel der Dichtung, Eine Lesereise. Stuttgart 2000. - Vom Schwimmen im Glück, Gedichte. Stuttgart 2001. - Logik der Wolken, Prosa. München 2004. - Kurze Geschichte vom ersten Verliebtsein. München 2005. - Die schönen bitteren Wochen des Johann Nepomuk, Roman. München 2006. - Flora und Fleisch, Gedichte. Meran 2010. - Eigenleben, oder wie schreibt man eine Novelle. Innsbruck 2011. - Salzburg. Hamburg 2012.
Übersetzungen:
Der Mönch von Salzburg: Die weltliche Dichtung. Übertragen von C. W. Aigner. Ausgabe der mittelalterlichen Texte von Franz Viktor Spechtler. Salzburg 1995. - Federigo Tozzi: Tiere, Dinge, Personen / Bestie, cose, persone. München 1997. - Giuseppe Ungaretti: Zeitspüren. Gedichte ausgew. u. übertr. von C. W. Aigner. Stuttgart, München 2003. - Poesia italiana. Italienische Lyrik ausgew. u. übertr. von C. W. Aigner. Salzburg 2015.

Holzner, Johann: "Wunderschön das Überflüssigsein der Klage". Über Gedichte von Jan Skácel, Reiner Kunze und C. W. Aigner. In: Jacques Jalarrige (Hg.): Vom Gedicht zum Zyklus, vom Zyklus zum Werk. Innsbruck, Wien 2000, 213-240. - Kirsch, Sarah: Ein seltener Glückskarfunkel. In: Die Zeit, 8.10.1993. - Längle, Ulrike: An den Hüften vorbei. In: Die Presse, 14.10.2006.