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Hermann Friedl

Foto: Nachlass Hermann Friedl; © Adalbert-Stifter-Institut / StifterHaustifterHaus

Geb. 21.2.1920 in Linz, gest. 4.12.1988 in Steyr.
Arbeitete als Arzt und Autor, und zwar "beides mit größtem Engagement und fast übermenschlichem Ringen mit seinem Schicksal" (Weigel 1988).

Der Sohn des Putzleinsdorfer Volksschuldirektors Hans Friedl (1874-1943) und seiner Ehefrau Klara (geb. Mayrhofer, 1877-1955) hatte fünf Halbgeschwister, die der Vater aus früherer Ehe mitbrachte. Friedl besuchte die Volksschule in Putzleinsdorf, maturierte 1938 und diente von Oktober 1938 bis 1945 als Sanitäter in der Deutschen Wehrmacht. 1940 begann Friedl ein Medizinstudium an der Universität Wien, promovierte 1945 und kam im Juli aus amerikanischer Krieggefangenschaft frei. Seinen Turnus absolvierte er in der Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart in Linz (heute: Wagner-Jauregg-Krankenhaus), erhielt seine praktische Ausbildung 1946-50 am Allgemeinen Krankenhaus Linz und ordinierte 1951-62 als Gemeindearzt in Oberneukirchen (Mühlviertel). Bis 1965 bildete er sich zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie im Wagner-Jauregg weiter und war 1968 bis 1971 Konsiliarfacharzt für Neurologie und Psychiatrie am Unfallkrankenhaus Linz. Bis 1972 war er Chefarzt an der neurologischen Klinik Gailingen (Baden-Württemberg) und dann Oberarzt am Psychiatrischen Landeskrankenhaus Weissenau. In seinen letzten Berufsjahren (1979-80) arbeitete Friedl im Unterrichtsministerium für Gesundheit und Umweltschutz.

Friedl, der von Heimito von Doderer als "vortrefflicher Schriftsteller, Langsam [sic] und fest in seinem Wachstum" (Doderer 1986, 254) bezeichnet wurde, debütierte mit einem an Hans Carossa orientierten Band Gedichte (1951) und war 1953 in Hans Weigels Anthologiereihe Stimmen der Gegenwart mit der Erzählung Nach dem Krieg vertreten.
Seine stark autobiografisch gefärbte Ärzteromane verbindet die Thematik der "Arzt als Patient" sowie inhärente Kritik an den medizinischen Institutionen. Die Anti-Idylle Der Landarzt (1962) zerstört mit ihrem sozialen Realismus den Mythos von der heilen Welt auf dem oberösterreichischen Lande und nahm den in den 1970er Jahren populären "harten Heimatroman" eines Franz Innerhofer oder Gernot Wolfgruber vorweg. Im Roman weist - ohne dabei explizit benannt zu werden - vieles auf das Lokalkolorit der Mühlviertler Orte Putzleinsdorf und Oberneukirchen hin.

1980 entwarf Friedl in Heilverfahren oder das Fernglas das Psychogramm eines Nervenarzts, der sich als Patient in einer Nervenklinik aufhält. Der Ich-Erzähler formt seine Beobachtungen und Erinnerungen zu einer kritischen Beschreibung des Ärztestandes sowie der Zustände in einer psychiatrischen Klinik. Das titelgebende "Fernglas", das er sich umgekehrt vor Augen hält, lässt ihn die Welt in der Distanz optischer Verkleinerung wahrnehmen. In Reisers Ende. Eine Spurensicherung (1985) reist ein Wiener Schriftsteller, dessen Freund, ein Psychiater, gestorben ist, nach Oberösterreich, um mit Hilfe der hinterlassenen Aufzeichnungen eine Erklärung für die Todesursache zu finden. Der Roman nähert sich stilistisch und mit intertextuellen Verweisen dem Entwicklungsromans Anton Reiser von Karl Philipp Moritz an.

Im Briefroman Beginn der Errichtung eines Denkmals (1988) leistet Friedl die Anamnese von Adalbert Stifters "sanftem Gesetz". Der Stifter-Intimus und Nachlass-Verwalter Johann Aprent, der eine Stifter-Biografie plant, muss erkennen, dass das Leben und Werk Stifters einen unüberbrückbaren Gegensatz bilden.
Die für den Bildband Oberösterreich mit seinem Salzkammergut (1966) verfassten, dem Tourismus kritisch gegenüberstehenden Essays beschreiben die Landstriche und die historische Entwicklung des Bundeslandes, skizzieren die oberösterreichischen Städte und Seen und lassen den Alpenforscher Friedrich Simony (1813-1896) von seiner Besteigung des Dachsteins 1842 erzählen.

Friedl wurde für sein Werk mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Literatur (1981) und dem Kunstwürdigungspreis der Stadt Linz (1986).

Stefan Maurer

 

Fünf Gedichte. Linz 1951. - Die Visitation. Zehn Erzählungen. Gütersloh 1959. - Der Landarzt. Gütersloh 1962. - Kleine Gesellschaft am Abend. Geschichten und Kürzestgeschichten. Gütersloh 1964. - Oberösterreich mit seinem Salzkammergut. Ein Bildband. Innsbruck, Frankfurt/Main 1966. - Heilverfahren oder das Fernglas. Wien u. a. 1980. - Aufzeichnungen eines wahnsinnigen Beamten. Erzählungen. Wien 1981 - Reisers Ende. Wien 1985. - Beginn der Errichtung eines Denkmals. Variationen zum Thema Adalbert Stifter. Graz u. a. 1988. - Die Schleuse. Roman. Weitra 2008.

Doderer, Heimito von: Commentarii 1957 bis 1966. München 1986. - Hartl, Edwin: Der Arzt als Patient. Ein "trockener" Roman. In: Die Presse. 16./17.8.1990. - Lehner, Sabine: Ein Autor und seine Verleger. Studien zu Hermann Friedls Verlagskorrespondenz mit einem Verzeichnis des Briefnachlasses im Adalbert-Stifter-Institut. Wien 1995. - Rohrhofer, Astrid: Hermann Friedls Arztromane und die Tradition der medizinischen Belletristik von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart. Wien 2000. - Salfinger, Helmut: Hermann Friedl (1920-1998). Arzt und Schriftsteller. In: Oberösterreicher. Lebensbilder zur Geschichte Oberösterreichs. Linz 1991. - Vogl, Alois: Hermann Friedl: Der Landarzt. In: Literatur und Kritik 1984, H. 185/186, 325. - Weigel, Hans: Hermann Friedl †. In: Die Furche, 9. 12. 1988. - Weinzierl, Ulrich: Aus der Linzer Luft gegriffen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.1988.