Das genaue Geburtsjahr des berühmten Arztes und Botanikers, dessen Namen eine Sackgasse auf dem Linzer Römerberg trägt, ist nicht bekannt. Gesichert dagegen sind die Umstände seines Sterbens: Rauwolf begab sich 1596 als Feldarzt der Truppen Graf Starhembergs auf Kriegszug gegen die Türken und zog sich noch im selben Jahre bei der Belagerung der ungarischen Stadt Hatvan die Ruhr zu, die ihm kurz darauf in Vác das Leben kostete. Seine letzten acht Jahre hatte Rauwolf in Linz als poliater et ordinum archiducatus Austriae medicus verbracht. Er war somit Arzt der Landstände ob der Enns und "Landschaftsphysikus" in Linz, eine Funktion die mit "Leiter des Landes-Sanitätsdienstes" (vgl. Mörth 1993) umschrieben werden kann. Als bestens ausgebildeter Arzt und Botaniker wandte er sich 1593 gegen Kurpfuscherei in Linz. Rauwolf war zudem Mitglied der Linzer humanistischen Kreise und besaß eine umfangreiche Bibliothek. Sie wurde 1599 in die Landhausbücherei integriert.
Vermutlich entstammte Rauwolf einer wohlhabenden Familie lutherischer Prägung in Augsburg, die ihm auch eine gute Ausbildung ermöglichte. Sein Ziel war der Beruf des Arztes. Er immatrikulierte sich zunächst in Wittenberg (6. November 1556), besuchte jedoch auch Studienorte außerhalb Deutschlands. Bereits 1560 ist er an der damals berühmten Universität Montpellier nachweisbar, wo neben klassischen antiken Autoren der Heilkunst auch Schriften jüdischer und arabischer Gelehrter vermittelt wurden. Einflüsse aus dieser Zeit spiegeln sich in den medizinischen Werken wider, die Rauwolf zitiert. So beruft er sich in seinem Reisebericht häufig auf Dioskurides aus Anazarba, Avicenna oder auch Galen. Bereits in Montpellier galt Rauwolfs besonderes Interesse der Botanik bzw. den Heilpflanzen. Die Doktorwürde erhielt er 1562 in Valence und begab sich im darauffolgenden Jahr auf Reisen durch Oberitalien. Rauwolf stand in Kontakt mit gelehrten Ärzten und Naturforschern seiner Zeit, darunter Guillaume Rondelet (1507-1566), Konrad Gesner (1516-1565) und Carolus Clusius (1526-1609). Nach Jahren als praktizierender Arzt wurde er 1571 Stadtphysicus in Augsburg. Als überzeugter Anhänger des Luthertums, der Widerstand gegen die Gegenreformation leistete, musste er Augsburg 1588 verlassen und nahm seinen Wohnsitz in Linz.
Rauwolfs Name verbindet sich heute vor allem mit der Pflanzengattung der Rauwolfia, die der französische Minorit Charles Plumier (1646-1704) nach ihm benannte, um Rauwolfs Verdienste um die Beschreibung der Pflanzen des Orients zu würdigen. Aus diesen Schlangenwurz-Gewächsen gewinnt die Medikamentenindustrie Heilmittel. Das aus ihnen isolierbare Hauptalkaloid Reserpin wird gegen Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Bekannt wurde Rauwolf zudem für seine Beschreibung der Kaffeebohnen. Er nennt sie bunc, das daraus zubereitete Getränk, das er als erster Europäer beschreibt, chaube. Rauwolf hatte den Kaffee auf seiner mehrjährigen Reise in die Levante in Aleppo kennengelernt. Mit der ausführlichen Beschreibung dieser Reise (Mai 1573 bis Februar 1576), in deren Verlauf er von Marseille aus nach Tripolis in Syrien, nach Aleppo und weiter bis Bagdad, in den Libanon und in das Heilige Land gelangte, machte sich Rauwolf auch einen Namen als bedeutender Reiseschriftsteller. Der Bericht zeichnet sich durch die Beschreibung botanischer, wirtschaftlicher sowie kultureller Merkmale der besuchten Länder aus und umfasst auch persönliche Eindrücke und Erlebnisse. Einen großen Raum nimmt die Beschreibung der Pflanzenwelt des Orients ein. Die 1582 in Lauingen bei Leonhart Reinmichel gedruckte Darstellung erweist ihn als einen der ersten Wissenschaftsreisenden. Größte Geltung erlangte Rauwolf auch als Botaniker. Von ihm stammt das Erste Kreüterbuoch (1560-62), ein umfangreiches und das älteste existierende Herbarium, das heute im Boerhaave Museum in Leiden aufbewahrt wird.
Maria Dorninger
Aigentliche beschreibung der Raisz/ so er vor dieser zeit gegen Auffgang inn die Morgenländer/ für=nemlich ... Laugingen 1582 (Faksimile Guilini Pharma). - Leonhard Rauwolf - ein schwäbischer Arzt, Botaniker und Entdeckungsreisender des 16. Jahrhunderts. "Leonharti Rauwolfen. Aigentliche beschreibung der Raisz, so er vor dieser zeit gegen Auffgang inn die Morgenländer, fürnemlich Syriam, Judaeam, Arabiam, Mesopotamiam, Bayloniam, Assyriam, Armeniam u.s.w. nicht ohne geringe mühe unnd grosse Gefahr selbs volbracht ..." Bearb. von Fritz Junginger. Heidenheim 1969.
Dannenfeldt, Karl H.: Leonhard Rauwolf. Sixteenth-Century Physician, Botanist, and Traveler. Cambridge (Mass.) 1968. - Mörth, Ingo: Donaustrand und Heiliges Land. Auf den Spuren von Pilgern, Forschungsreisenden und Kreuzfahrern in Linz. In: Andrea Schmolmüller und Gerhard Stadler (Hg.): Stadtbuch Linz. Wien 1993, 195-204. - Schuster, Julius: Leonhart Rauwolff als Kämpfer gegen das Kurpfuschertum 1593. In: Archiv für Geschichte der Medizin 14 (1923), 125f.