Der Inhalt: 1. Bruchstücke des Matthäusevangeliums; 2. eine Abhandlung über Heidenbekehrung und den Gebrauch der Volkssprache für geistliche Zwecke (auch: De vocatione gentium); 3. der Schluss einer sonst nicht bekannten Abhandlung oder Predigt; 4. Predigt LXXVI des Augustinus; 5. der Anfang des Traktats De fide catholica ex veteri et novo testamento contra Iudaeos ("Über den katholischen Glauben nach dem Alten und Neuen Testament wider die Juden") von Isidor von Sevilla (um 560-636). Alle Texte sind in einer lateinischen und althochdeutschen Synopse wiedergegeben. Teile des Isidor sind außerdem in einer zeitnah entstandenen Pariser Handschrift (P) erhalten.
Obwohl die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen M und P im Einzelnen strittig sind, kann man von einer Entstehung der Übersetzungen vor oder um 800 ausgehen. Ort und Dialekt sind hingegen schwer bestimmbar: Neben dem (wohl sekundären) Bairisch der Texte aus M findet sich in P eine Mischung aus süd-, mittel- und norddeutschen Sprachelementen, was zu verschiedenen sprachhistorischen Hypothesen geführt hat (klösterliche Ausgleichssprache, Grenzdialekt, sonst nicht bekanntes Westfränkisch etc.). Häufig werden die Texte mit dem Hof Karls des Großen (747/48-814) und seinen kulturellen Bemühungen zusammengebracht, zumal aktuelle kirchenpolitische Themen behandelt werden. Die Vorlagen für die bairische Fassung könnten dann vom Erzkapellan Karls, Hildebold von Köln, nach Mondsee gebracht worden sein, dessen Abt er von ca. 802-813 war.
Die Qualität der Übersetzungen ist sehr unterschiedlich beurteilt worden. Während der althochdeutsche Isidor eine bemerkenswerte Sprachgewandtheit zeigt, sind die übrigen Texte einfacher gehalten. Was man früher mit verschiedenen Übersetzeridentitäten erklärt hat, wird heute als flexibler Umgang mit den lateinischen Texten bzw. Textsorten gesehen (z. B. exaktes Übersetzen der Bibelpassagen). Verblüffend ist die Übersetzungsleistung aber allemal zu einer Zeit, in der volkssprachiges Übersetzen sonst nur die Glossierung einzelner Wörter oder Wortfolgen ohne Rücksicht auf syntaktische Zusammenhänge bedeutete; verblüffend auch deshalb, weil die Texte scheinbar ohne nennenswerte Nachwirkung blieben. Sie stehen wie ein erratischer Block in den Anfängen der deutschen Literatur- und Sprachgeschichte.
Florian Kragl
Der ahd. Isidor. Facsimile-Ausgabe des Pariser Codex nebst critischem Texte der Pariser und Monseer Bruchstücke. Hg. von George Allison Hench. Straßburg 1893. - The Monsee fragments. Hg. von George Allison Hench. Straßburg 1890.
Blusch, Martina: Zur Rekonstruktion der Anfangspartien der ahd. Übersetzung des Isidor-Traktats. In: Zeitschrift für deutsches Altertum 117 (1988), 68-78. - Delbono, Francesco: L'Isidoro e la questione delle origini della letteratura tedesca. In: Nuovi annali della facoltà di magistero dell'università di Messina 4 (1986), 159-182. - Greule, Albrecht: Syntaktisches Verbwörterbuch zu den ahd. Texten des 9. Jhs.: Altalemannische Psalmenfragmente, Benediktinerregel, Hildebrandslied, Monseer Fragmente, Murbacher Hymnen, Otfrid, Tatian und kleinere Sprachdenkmäler. Frankfurt/Main 1999. - Haubrichs, Wolfgang: Zum Stand der Isidorforschung. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 94 (1974), 1-15. - Knapp, Fritz Peter: Die Literatur des Früh- und Hochmittelalters in den Bistümern Passau, Salzburg, Brixen und Trient von den Anfängen bis zum Jahre 1273. Graz 1994, 37-40. - Krotz, Elke: Auf den Spuren des ahd. Isidor. Studien zur Pariser Handschrift, den Monseer Fragmenten und zum Codex Junius 25. Mit einer Neuedition des Glossars Jc. Heidelberg 2002 [mit umfassender Lit.]. - Matzel, Klaus: Ahd. Isidor und Monsee-Wiener Fragmente. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1 (1978), Sp. 296-303 - Ders.: Untersuchungen zur Verfasserschaft, Sprache und Herkunft der ahd. Übersetzungen der Isidor-Sippe. Bonn 1970.