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Oberösterreich im bairischen Sprachraum

Innerhalb der allgemein anerkannten Gliederung des deutschen Sprachraums liegt Oberösterreich inmitten des sogenannten bairischen Dialektraums. Zusammen mit dem westlich anschließenden alemannischen Raum (v.a. Elsass, Baden-Württemberg, Bayerisch-Schwaben, deutsche Schweiz und Vorarlberg) und dem nordwestlich anschließenden ostfränkischen Raum (v.a. die bayerischen Regierungsbezirke Unter-, Mittel- und Oberfranken) bildet dieser den oberdeutschen Raum. Dieser stellt zusammen mit dem mitteldeutschen Dialektraum (grob gesprochen Lothringen, Saarland, Rheinland-Pfalz, das Rheinland von „Nordrhein-Westfalen“, Hessen, Thüringen, Sachsen) das sprachgeografisch zu sehende Hochdeutsche dar – im Gegensatz zum Niederdeutschen oder „Platt“ des Nordens.

Baiern und bairisch ist die althergebrachte Schreibung für Land und Leute, die die deutsche Dialektologie benutzt, um – zumindest schriftlich – von Bayern und bayerisch unterscheiden zu können, und meint die siedlungs- und sprachgeschichtliche Einheit im Südosten des deutschen Sprachraums, die seit dem 6. Jahrhundert belegt ist und einen deutschen „Neustamm“ meint, der sich wohl am Ende der Völkerwanderungszeit geformt und in der Folge ein „Stammesherzogtum“ begründet hat.

Das heutige Oberösterreich war mit Ausnahme des unteren Mühlviertels schon Teil dieses historischen Altbaierns, das das Voralpenland zwischen Lech und Enns umfasste, darin für die altbairische Geschichte so wichtige – heute oberösterreichische – Orte wie Mondsee oder Kremsmünster. Bei über die vergangenen anderthalb Jahrtausende anzunehmender Bevölkerungsstabilität sind die Oberösterreicher also Nachkommen bairischer, östlich einer Linie Haselgraben - Traun - Krems auch (alpen)slawischer Siedler des Frühmittelalters, wobei letztere bald unter bairische Herrschaft kamen und auch bald den Sprachwechsel zum Deutschen vollzogen hatten.

Gemeinsame bairische Merkmale

Der bairische Dialektraum umfasst ein Gebiet von gut 125.000 km2 in Bayern („Altbayern“: Niederbayern, Oberbayern und die Oberpfalz), Österreich (ohne Vorarlberg) und Südtirol. Trotz merklicher und – zumindest für Bairisch-Sprechende – deutlicher Unterschiede zeigt dieser größte deutsche Dialektraum etliche den ganzen Raum überdachende und ihn so definierende gemeinsame sprachliche Kennzeichen, an denen natürlich auch Oberösterreich – per definitionem – zur Gänze teilhat. Vor allem sind dies:

  • Die Aussprache des historischen „Sekundärumlauts“, geschrieben meist als ä, als sogenanntes „helles“ a (im Gegensatz zur e-Aussprache der Schriftsprache und der andern deutschen Dialekte), sprich: Wagerl ‘Wägelchen’, Fassl ‘Fässchen’, hierzu auch Kaas ‘Käse’.
  • Die generelle „Verdumpfung“ der historischen a-Laute bis hin zu o-Werten: Wågn ‘Wagen’, låssn ‘lassen’, Schåf, Schof ‘Schaf’.
  • Die großflächig dominierende Weiterentwicklung des alten ei-Lauts zu oa wie in broat ‘breit’, hoaß ‘heiß’ usw.
  • Das Personalpronomen es ‘ihr’ mit seinem Objektskasus enk ‘euch’, dazu auch das an die Verben in der 2. Person Mehrzahl angehängte -s wie in es gehts ‘ihr geht’ u.Ä.
  • Die altbäuerlich-altdialektalen „Kennwörter“ des Bairischen wie Ertag ‘Dienstag’ und Pfinztag ‘Donnerstag’, dazu die „Kennform“ kemmen ‘kommen’.

Oberösterreich zwischen West und Ost

Oberösterreich liegt in der Mitte des bairischen Dialektraums und doch nicht zentral. Die Territorialgeschichte des Raums mit der Ausgliederung Österreichs (d.h. seines historischen Kernraums im heutigen Niederösterreich) aus Baiern (Privilegium minus 1156) und seinem zunehmenden Erstarken hat zu zwei staatlichen Zentralräumen geführt: in Bayern letztlich Oberbayern um München, in Österreich Niederösterreich mit Wien. Der Raum des heutigen Oberösterreich, fast zur Gänze Teil des bairischen Altsiedellandes, ist damit – auch sprachlich – „peripherisiert“ worden, ein sehr konservativer Dialektraum am Ostrand des alten Baiern und mit dem Ausgreifen Österreichs nach Westen zunehmend am Westrand (Donau-)Österreichs.

Auch die Existenz der mittelalterlichen Grafschaft Schaunberg zwischen Baiern und Österreich, im Wesentlichen das heutige Hausruckviertel, muss als Faktor der heute noch gültigen Sprachraumbildung einbezogen werden. In dieser West-Ost-Geschichte und -Gliederung ist Oberösterreich – der Erkenntnis folgend, dass die grundsätzliche Ausbildung der bis heute erkennbaren grundmundartlichen Gliederung früh- bis hochmittelalterlich ist – in seinem Westen und seiner Mitte (Innviertel, Hausruckviertel, oberes Mühlviertel, westliches Traunviertel inkl. Salzkammergut) weiterhin „altbairisch“, östlich der Traun-Krems-Linie und östlich vom Haselgraben „neubairisch“.

Oberösterreich zwischen Nord und Süd

Vor allem aus wirtschafts- und verkehrsgeschichtlichen Faktoren ergibt sich die andere Gliederungsmöglichkeit des Bairischen in Nord-, Mittel- und Südbairisch. Oberösterreich ist Teil des Mittelbairischen, nur der Süden des Landes, insbesondere das innere Salzkammergut, ist bereits zum südmittelbairischen Übergangsgebiet zu rechnen.

Der mittelbairische Raum ist einerseits durch mehrere ihn zur Gänze überdachende sprachliche Kennzeichen geprägt, am auffälligsten die sogenannte Liquidenvokalisierung, d.i. die „Verselbstlautung“ von l (z.B. Schuid für ‘Schuld’ und Hoiz für ‘Holz’) und r (z.B. woam für ‘warm’) in gewissen Positionen. Andererseits zeigt auch das Mittelbairische in manchen Fällen eine deutliche Binnengliederung, in der sich das einst verkehrsoffenere Gebiet entlang der Donau als sprachlich neuerungsfreudiger erweist als die entlegeneren Gegenden am Böhmerwald und am Alpenrand. So ergibt sich etwa aufgrund des historischen Vorgangs der Konsonantenschwächung eine vom Donautal aus gestaffelte Sprachlandschaft mit zunehmender Bewahrung alter Fortiskonsonanten (in Wörtern wie braten, Wirt oder Wetter) zu den nördlichen und südlichen Rändern des Mittelbairischen hin.