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Lautgeografie Oberösterreichs

Ein großer Teil der sprachgeografischen Vielfalt Oberösterreichs beruht auf unterschiedlichen Formen der mittelbairischen Liquidenvokalisierung. Die Vokale des oberen Mundraumes nämlich zeigen bei der l-Vokalisierung im Westmittelbairischen vorwiegend diphthongische, im Südwesten auch ungerundet-monophthongische Realisierungen, im Ostmittelbairischen hingegen gerundet-monophthongische. Es heißt für „spielen“ so z.B. im Westen schbuin, schbëin, schbiin und ähnlich, im Osten einförmig schbüün.

Oberösterreich liegt im Grenzbereich zwischen Westen und Osten und hat in diesem erwähnten Falle – so legt es uns das vorliegende Material im Gesamten nahe – in den letzten Jahrhunderten wohl seine alten westmittelbairischen Formen durch ostmittelbairische ersetzt, hat sich sprachlich von seiner altbairischen Basis hin zu „neubairischen“, österreichischen Formen bewegt. Die folgende Karte zeigt uns, dass die altbairischen Formen heute noch im größten Teil des Innviertels (bis 1779/1816 noch staatsbairisch), im Mondseeland mit St. Wolfgang (bis 1506 staatsbairisch) und in der Gosau (bis 1483 salzburgisch) gelten.

Konservativer Mittelstreifen

Wie bei den unterschiedlichen Typen der Liquidenvokalisierung ist auch in vielen weiteren Beispielen das prägende lautgeografische Raumbild Oberösterreichs eines von in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Streifen. Diese Streifen, von uns als „konservative Mittelstreifen“ bezeichnet, erscheinen immer wieder zwischen Schwarzenberg im äußersten Norden und Obertraun im äußersten Süden des Landes, bilden eine „periphere Mitte“ mit Konservatismen wie insbesondere

  • fehlender r-Vokalisierung (z.B. Håår ‘Haar’, fåån ‘fahren’, we ‘wer’), oft verbunden mit
  • Sprossvokalformen wie Beri ‘Berg’, Måri ‘March’ (Grundgrenze) oder firichtn ‘fürchten’.

Sprachraumgliederung zwischen Westen und Osten

Auch im Bereich der Weiterentwicklungen der alten „langen“ o-Laute (mhd. ô) zeigt Oberösterreich weiterhin eine charakteristische Sprachraumgliederung zwischen Westen und Osten, mit grundsätzlich diphthongischen Typen, die die Zugehörigkeit zum altbairischen Westen signalisieren, darunter auch die „typisch“ (fast nur) oberösterreichische eo-Lautung, und mit östlichem Monophthong, wie er z.B. in Niederösterreich großflächig dominiert.

Oberösterreich innovativ

Oberösterreich ist freilich nicht nur sprachliches Rückzugsgebiet, sondern auch Innovationszentrum. Insbesondere der „oberösterreichische Zentralraum“ mit seinem Zentrum Linz kann als sprachliches Ausstrahlungszentrum eigener Prägung (und nicht nur sekundäres Zentrum in der Weitervermittlung von Wiener Sprachformen) gelten. In diesem Sinne „typisch oberösterreichisch“, d.h. wohl von der – zweifellos im „Zentralraum“ konzentrierten – Mehrheit der Landesbevölkerung verwendet, ist die Rundung von (rundungsfähigen) Vokalen vor l-hältigen Nebensilben wie in Hümmö ‘Himmel’ oder Nöwö ‘Nebel’ (SAO Bd. I, Karte 178).