Das von Max Stebich herausgegebene Bekenntnisbuch österreichischer Dichter ist das wichtigste derartige Sammelwerk. Rund ein Siebtel der Autoren, die sich darin zu Wort melden, stehen durch Herkunft oder Wirkungsstätte mit Linz und „Oberdonau“ in Verbindung. Einige werden innerhalb des heimischen nationalsozialistischen Literaturbetriebes federführend sein. Zu ihnen zählt Franz Karl Ginzkey, der 1938 – gleichfalls für den „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“ – den Lyrikband Gesänge der Ostmark erstellt und sich damit zum NS-System bekennt. Zu den einflussreichen Periodika, die den „Anschluss“ thematisieren, gehört die 1934 durch Paul Alverdes und Karl Benno von Mechow begründete Münchener Zeitschrift Das Innere Reich. Von Beginn an veröffentlichen hier auch oberösterreichische SchriftstellerInnen. Rege Tätigkeit entfalten dort Franz Tumler und Erna Blaas, die beide u. a. im Maiheft jener Zeitschrift vertreten sind, das die „Heimkehr Deutsch-Österreichs ins Reich“ feiert. Wiederholt wird die herausragende Bedeutung der Geburtsstadt Adolf Hitlers bzw. Oberösterreichs als seiner Heimat beschworen. Auf das zeitgenössische Geschehen nehmen Autoren wie Richard Billinger (Adolf Hitler. Zum 13. März 1938) und Hermann Heinz Ortner (Kindheit in Braunau) mit Huldigungsgedichten Bezug. Auch später noch gesellen sich vergleichbare Verse hinzu, z. B. Der Führer von Erna Blaas oder Hans Schatzdorfers (1897–1969) Mein Führá, schaff an. Zeugnis von der nationalsozialistischen Machtübernahme in Oberösterreich gibt ferner Karl Itzinger (1888–1948) aus Ried im Innkreis (Tagebuch vom 10. Februar bis 13. März. Ein Überblick über die letzten Tage des Kampfes und die ersten Tage des Sieges) oder der Linzer Johannes Würtz (1900–1967; Die großen Tage. Der 11. März, der 12. März, der 13. März. Eine Volksfeier).
Die Umstellung und die Gleichschaltung des Literaturbetriebes durch die Nationalsozialisten nach dem „Anschluss“ erfolgen auf Basis des Reichskulturkammergesetzes, das ab 11. Juni 1938 in der „Ostmark“ gültig wird. Von Berlin aus lenkt die Reichsschrifttumskammer, die unmittelbar dem Minister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels unterstellt ist, das literarische Leben im Dritten Reich. Die Gestaltung der Kultur- und damit der Literaturpolitik in „Oberdonau“ obliegt weitgehend dem Gauleiter und Reichsstatthalter August Eigruber und seinem Kulturbeauftragten, dem Gaupresseamtsleiter Anton Fellner. Ihre Kompetenzen teilen sie mit dem Landesleiter der Reichsschrifttumskammer des Reichsgaues „Oberdonau“, Linus Kefer (1909–2001) aus Garsten, sowie August Zöhrer, Leiter des Kulturamtes der Stadt Linz und Gauschrifttumsbeauftragter der NSDAP.
Eine erste flächendeckende Aktion nach dem „Anschluss“ ist die systematische Durchsuchung von Bibliotheken bzw. Büchereien nach verbotenen Schriften. Die „Säuberung“ der Bestände erfolgt anhand einer geheimen „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, die auf Grundlage der sogenannten „Schwarzen Listen“ von April/Mai 1933 durch die Berliner Reichsschrifttumskammer im Herbst 1935 in Umlauf gebracht worden ist und seither laufend aktualisiert wird. Eine weitere Handhabe für die Unterdrückung und Beseitigung missliebiger Schriften bietet seit Oktober 1940 eine „Liste der für Jugendliche und Büchereien ungeeigneten Druckschriften“. Das enteignete, nicht beanstandete Schriftgut aus kirchlichem Besitz und der Pfarrbüchereien „Oberdonaus“ führt man den Gemeindebüchereien zu. Diese werden in Intervallen weiterhin gemustert, um noch vorhandene oder inzwischen auch verbotene Bücher aus dem Verkehr zu ziehen. Von derartigen Revisionen sind auch Bibliotheken in Krankenhäusern oder Kriegslazaretten betroffen, ebenso privat betriebene Leihbüchereien. 1940 wird das Verbot, das zunächst den Buchhandel, das öffentliche Bibliothekswesen sowie den Leihverkehr betrifft, auf den Privatbereich ausgedehnt und auch dort der Besitz indizierter Schriften unterbunden.
Um die Leserschaft ideologisch auf Kurs zu bringen und für die von den Nationalsozialisten propagierte Literatur zu gewinnen, ergreift das Regime Gegenmaßnahmen. Es intensiviert seinen Kampf gegen die trivialen Groschen- bzw. Heftchenromane, die vor allem ländliche Leserkreise schätzen, und verbreitet Listen mit empfohlenen Büchern oder Buchhandlungen. Hinzu kommen Werbekampagnen und öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie die erste „Großdeutsche Woche des Buches im Gau Oberdonau“ im Oktober 1938. Die Präsentation im Linzer Landhaus bildet eine Art Leistungsschau zu jener Literatur, die seit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Deutschen Reich entstanden ist. Zur Versorgung der Bevölkerung veranlasst Gauleiter Eigruber die Gründung von 450 „Volksbüchereien“.
Prominente Opfer der systematischen Ausgrenzung, Denunziation oder gar Verfolgung sind zum einen führende oberösterreichische Literaten des Ständestaates, darunter Enrica von Handel-Mazzetti, Hans von Hammerstein-Equord (1881–1947) oder Gustav von Festenberg (1892–1968), aber auch der Priesterdichter Heinrich Suso Waldeck (d. i. August Popp, 1873–1943), der sich von Wien in das Mühlviertel zurückgezogen hat. Zum anderen sind Autoren im Umfeld der Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung betroffen, so die Linzerin Hedda Wagner (1876–1950) oder der Verleger und Buchhändler Otto Stöber (1902–1992). Maria Peteani, Linzer Erfolgsautorin der 1920er Jahre, kann keinen „Ariernachweis“ erbringen und erhält aus rassischen Gründen Berufsverbot. Mitunter wendet sich das Regime auch gegen Sympathisanten aus den eigenen Reihen: Am 11. August 1939 inhaftiert die Gestapo den aus Molln stammenden Journalisten und Mundartdichter Otto Jungmair (1889–1974), der früher wegen seiner Organisationstätigkeit für die Nationalsozialisten mit der Justiz des Ständestaates in Berührung gekommen ist. Er durchläuft die Konzentrationslager Sachsenhausen und Dachau, ehe er der Deutschen Arbeitsfront unterstellt wird. Erst nach Kriegsende kann Jungmair wieder schriftstellerisch tätig sein.
Das entstandene literarische Vakuum füllen Autoren, die vonseiten der NS-Kulturpolitik unterstützt werden, z. B. durch Förderprogramme, Dichterwettbewerbe oder Preisausschreiben. Das höchste Ansehen genießt dabei der jährlich zu vergebende „Gaukulturpreis“, der am 12. März 1940 zum zweiten Jahrestag des „Anschlusses“ ausgelobt wird. 1941 geht er an Richard Billinger, der neben Hermann Heinz Ortner vor allem auf dem Gebiet des Theaters zum erfolgreichsten heimischen Autor während des Nationalsozialismus avanciert. Preisträger von 1942 sind der Sudetendeutsche Ernst Egermann (1910–1942), Linus Kefer sowie der Bad Ischler Lehrer August Karl Stöger (1905–1989), 1943 werden die Dichter Hans Reinthaler (1900–1964) aus Offenhausen bzw. Hans Schatzdorfer aus Pramet prämiert, dann erfolgt keine Vergabe mehr. Zur Hebung des literarischen Lebens wird im März 1941 die „Erste Dichterwoche des Reichsgaues Oberdonau“ in Linz abgehalten. An der Veranstaltung nehmen hauptsächlich Autoren teil, die sich 1938 im Bekenntnisbuch österreichischer Dichter artikuliert haben. Preisverleihungen und Literaturveranstaltungen sind jedoch auch Foren, um junge oder neu hinzugekommene Schriftsteller vorzustellen – darunter solche, die aus anderen Regionen zugewandert sind, wie der Niederösterreicher Josef Hieß (1904–1973), oder durch Eingliederung südböhmischer Gebiete in den Reichsgau landsmannschaftlich nun zu „Oberdonau“ zählen, wie Ernst Egermann aus Buchers, Hans Watzlik (1879–1948) aus Unterhaid oder Rudolf Witzany (1911–1945) aus Gratzen.
Linz als Gauhauptstadt, die nach Hitlers Willen kulturell aus dem Schatten Wiens und Salzburgs hervortreten soll, setzt gerade auch im Bereich der Literatur Akzente. Von 1941 bis 1944 erscheint unter Patronanz des Oberbürgermeisters das Literaturjahrbuch Stillere Heimat, das einen Querschnitt durch das literarische Schaffen des Reichsgaues bietet. 1941 lebt kurz eine Schriftenreihe der Gauhauptstadt Linz auf, in der gleichfalls unveröffentlichte Texte publiziert werden sollen. Die Serie umfasst Gedichtbände von Arthur Fischer-Colbrie (Unter dem Sternbild der Leier), Ernst Egermann (Das Gastmahl) und Karl Kleinschmidt (1913–1984, Die hohe Stunde). In der Linzer Bücherei, einer literarischen Reihe des Bischoff-Verlages, publizieren Autoren wie Franz Tumler (Auf der Flucht, 1943) oder Erna Blaas (Balladen der Rauhnacht, 1944). Zwecks Förderung des Dichternachwuchses wird im September 1942 ein Literaturpreis als Belohnung für den besten Beitrag ausgesetzt, der für den Almanach Stillere Heimat bei der Redaktion eingeht. Dem Beirat gehören Schriftsteller wie Karl Emmerich Baumgärtel oder Johannes Würtz an, die Ämter in der Kulturpolitik „Oberdonaus“ bekleiden. Erster Preisträger wird Hans Watzlik für seine Prosaskizze Unterhaid.
Literatur wird fixer Bestandteil eines kulturpolitischen Programms: Sie soll vorrangig eine mit dem „Volkstum“ verbundene Dichtung sein, dazu geeignet, die Integration der „Ostmark“ in das Reich zu fördern. Einen zentralen Komplex bildet die „völkische“ Literatur, die schwerpunktmäßig nordisch-germanische (Erna Blaas; Josef Günther Lettenmair, 1899–1984; Johannes Würtz) oder deutsch-nationale Motive (Hans Watzlik, Josef Hieß) aufgreift. Die in den 1930er Jahren in Mode gekommenen Bauernromane, doch auch Prosa oder Dramen aus diesem Umfeld bescheren u. a. Richard Billinger ein sicheres Einkommen. Ähnlich wie er fügt der Steyrer Carl Hans Watzinger (1908–1994) „Blut“ und „Boden“ als Schlagworte in seine Epik ein (Spiel in St. Agathen, 1937; Die Pfandherrschaft, 1938; Die Bauernhochzeit, 1942) und stützt sich auf Leitgedanken der NS-Doktrin. Die stärksten Anleihen bei der Lehre von „Blut und Boden“, die der Reichsbauernführer bzw. Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Richard Walther Darré propagiert, nehmen Josef Hieß und Karl Itzinger. Besonders eignen sich Historienstücke oder -romane, die an Begebenheiten aus dem oberösterreichischen Bauernkrieg und der Gegenreformation anknüpfen. Watzinger oder Ortner verleihen ihren Gestalten Eigenschaften, die dem NS-Idealbild vom neu zu schaffenden „deutschen Menschen“ entsprechen, ebenso wie Itzinger, Schriftleiter der Welser Bauern-Zeitung und Urheber des Frankenburger Würfelspiels.
In den Kanon der NS-Literatur „Oberdonaus“ gehören weiters Helden- bzw. Weihegedichte oder Erzählungen, die den Einsatz ihrer Verfasser für das Dritte Reich oder den politischen Kampf während der „Systemzeit“ schildern. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verlagert sich die Agitation auf Vermittlung von Wertvorstellungen zwecks Aufopferung, Motivation oder Stärkung des Kampf- und Durchhaltewillens im Feld sowie an der „Heimatfront“. Beispiele hierfür liefern Carl Hans Watzingers Novelle Anselm oder der Roman Welt hinterm Wald (1942) der gebürtigen Steyreggerin Mimi Eckmair-Freudenthaler. Die Kriegslyrik von Ernst Egermann (Die Beflügelten, Briefe aus dem Kriege, Germania), Erika Blaas (Im Schatten des Aufbruchs) oder des Eferdingers Carl Martin Eckmair (1907–1984, Verheißung der Gestirne) künden von Sendungsbewusstsein, Vorbestimmung und Siegesgewissheit. Der Schlachtengang gerät zum kosmischen bzw. Naturereignis, der Kampf wird gleichsam um ein verheißungsvolles Land geführt.
Im Bestreben, die nationalsozialistische Gegenwartsdichtung zu legitimieren und in eine Traditionskette einzugliedern, wird auch Adalbert Stifter instrumentalisiert. Seine Vereinnahmung zeigt sich anlässlich des 70. Todestags 1938. Die Ausstellung im Linzer Landesmuseum wird dazu missbraucht, um Stifter zum geistigen Wegbereiter des Dritten Reiches zu stilisieren. Bei einem Festakt im Linzer Landhaus am 27. Jänner 1939 setzt der Wiener Universitätsprofessor Josef Nadler Stifter, in dessen Werk der „Führer-Gedanke“ sichtbar sei, in ein Nahverhältnis zu Hitler. Während einer „Weihestunde“ vor dem Geburtshaus in Oberplan unterstellt Landesschulreferent Rudolf Lenk Geistesverwandtschaft zwischen Stifter und dem Nationalsozialismus.
Neben Stifter beanspruchen die Nationalsozialisten auch Franz Stelzhamer für ihre Zwecke. Die Feierlichkeiten zum 140. Todestag 1942 werden zum Vorwand für Aktionismus. Im Sinne der nationalsozialistischen Einigung der Deutschen im Dritten Reich wird gefordert, Stelzhamer nicht mehr als regionalen Mundartdichter wahrzunehmen, sondern ihn als Bestandteil der gesamtdeutschen Geistesgeschichte zu sehen. Sämtliche Ambitionen scheitern am Kriegsalltag und letztlich an der Niederlage Hitlerdeutschlands im Mai 1945.
Arnold Klaffenböck
Amann, Klaus: Der Anschluß österreichischer Schriftsteller an das Dritte Reich. Institutionelle und bewußtseinsgeschichtliche Aspekte. Frankfurt/Main 1988. – Ders.: Literaturbetrieb 1938–1945. Vermessungen eines unerforschten Gebietes. In: NS-Herrschaft in Österreich 1938–1945. Hg. von Emmerich Tálos, Ernst Hanisch und Wolfgang Neugebauer. Wien 1988. – „Anschluß“ 1938. Eine Dokumentation. Hg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Wien 1988. – Baur, Uwe; Gradwohl-Schlacher, Karin: Literatur in Österreich 1938–1945. Handbuch eines literarischen Systems. Bd. 3, Oberösterreich. Wien u. a. 2014. – Gustenau, Michaela: Mit brauner Tinte. Nationalsozialistische Presse und ihre Journalisten in Oberösterreich (1933–1945). Linz 1992. – Klaffenböck, Arnold: Literatur im Reichsgau Oberdonau 1938–1945. In: „Kulturhauptstadt des Führers“. Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich. Hg. von Birgit Kirchmayr. Weitra 2008, 161–184. – Ders.: Heimatdichtung in Oberösterreich – eine Sichtung. In: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 23 (2012), 122–162. – Nadler, Josef: Adalbert Stifter inmitten unserer Zeit. Zum 75. Todestag am 28. Jänner 1943. In: Oberdonau 2, Folge 4 (Dezember 1942 / Feber 1943), 1–6. – Thumser, Regina: „Der Krieg hat die Künste nicht zum Schweigen gebracht.“ Kulturpolitik im Gau Oberdonau. In: Reichsgau Oberdonau. Aspekte 1. Hg. vom Oberösterreichischen Landesarchiv. Linz 2004. – Verfemt und Verboten. Vorgeschichte und Folgen der Bücherverbrennungen 1933. Hg. von Julius H. Schoeps und Werner Treß. Hildesheim u. a. 2010.