Den äußeren Anlass für sein Erscheinen bildeten der ‚Anschluß‘ Österreichs an das ‚Dritte Reich‘ am 12. März 1938 und die ‚Volksabstimmung‘ vom 10. April 1938, die als Bekenntnis zum ‚Führer‘ inszeniert wurde. Bereits am 12. Juni 1938 konnte anlässlich der 5. Reichstheaterfestwoche, die kurzfristig von Stuttgart ins ‚befreite‘ Wien verlegt worden war, im großen Festsaal des Rathauses 500 Festgästen mit Propagandaminister Joseph Goebbels an der Spitze eine Sonderausgabe des Bekenntnisbuches in dunkelrotem Leinen mit goldgeprägtem Titel und Hakenkreuz überreicht werden. (Die ‚Volksausgabe‘ war in schlichtem Braun gehalten.) Die 71 Beiträger der Anthologie, nach eigener Einschätzung die "führenden nationalen Dichter Österreichs", unter denen nicht wenige sich eben noch vom österreichischen ‚Ständestaat‘ hatten hofieren und (u. a. mit dem Staatspreis) auszeichnen lassen, bekannten darin, "in der Zeit unerträglichster Verfolgungen und Verfemungen" für ein "einziges [...] und ewiges Deutschland" gekämpft zu haben, "ein Deutschland, das alle umfaßt, die desselben Blutes und derselben Sprache sind" (Vorspruch von Max Stebich). Unter den ‚Kämpfern‘, die ihr Bekenntnis zu Führer und Volk in Vers und Prosa ablegten, waren: Bruno Brehm, Paula Grogger, Robert Hohlbaum, Mirko Jelusich, Erich Landgrebe, Max Mell, Joseph Georg Oberkofler, Josef Friedrich Perkonig, Werner Riemerschmied, Friedrich Sacher, Friedrich Schreyvogl, Karl Hans Strobl, Karl Heinrich Waggerl und Josef Weinheber.
Herausgeber des Bekenntnisbuches war der "Bund deutscher Schriftsteller Österreichs". Dieser Bund hatte sich mit Unterstützung des Propagandaministeriums und der Deutschen Gesandtschaft in Wien Ende 1936 als Sammelbecken der nationalen und nationalsozialistischen Autorinnen und Autoren Österreichs in Vereinsform konstituiert und stellte de facto eine getarnte Außenstelle der Reichsschrifttumskammer in Österreich dar. Ziel des Bundes war die ideologische und ‚rassische‘ Sortierung der österreichischen Schriftsteller und die Monopolisierung der literarischen Kontakte mit dem ‚Reich‘ (d. h. des deutschen Buchmarkts) mithilfe von ‚Arierparagraph‘, Gesinnungsprüfung, Schwarzen Listen und gezielten Denunziationen. Der Vorspruch des Bekenntnisbuches benennt gleichsam ex officio die antisemitischen, rassistischen und verschwörerisch gegen den Bestand Österreichs gerichteten Intentionen des Bundes. Vorsitzender des Vereins war der katholisch-nationale Max Mell, Geschäftsführer der Wiener Autor Max Stebich, den Vorstand bildeten u. a. Friedrich Schreyvogl, Mirko Jelusich, Hermann Heinz Ortner und Josef Weinheber. In der kurzen Zeit bis zum ‚Anschluß‘ warb der Bund etwa 100 Mitglieder; die Hälfte davon waren auch illegale Mitglieder der (in Österreich seit Juni 1933 verbotenen) NSDAP. Nach dem ‚Anschluß‘ bildete der Bund den Nukleus für den Aufbau der Reichsschrifttumskammer in Österreich, deren Geschäftsführer (bis 1940) ebenfalls Max Stebich war.
Der Reichsgau ‚Oberdonau‘ ist mit elf Autorinnen und Autoren repräsentativ und zahlenmäßig überproportional gut im Bekenntnisbuch vertreten. Neben Beiträgen des Bund-Vorstandes Hermann Heinz Ortner und Richard Billingers (Gaukulturpreisträger 1941), die beide zu den erfolgreichsten Dramatikern im deutschen Sprachraum zählten, finden sich von folgenden Autoren, die im ‚Heimatgau des Führers‘ geboren waren oder in enger Verbindung zu ihm standen, literarische Arbeiten im Bekenntnisbuch: Erna Blaas, Egmont Colerus von Geldern (1888-1939), Arthur Fischer-Colbrie, Franz Karl Ginzkey, Linus Kefer (1909-2001, Landesleiter der Reichsschrifttumskammer im Gau Oberdonau), Franz Tumler (gemeinsam mit Gertrud Fussenegger einer der literarischen Jungstars des ‚Dritten Reiches‘), Carl Hans Watzinger (1908-1994), Johannes Würz (1900-1967) und Julius Zerzer. Von ‚oberösterreichischen‘ Autoren, die im literarischen Leben der NS-Zeit eine Rolle spielten, fehlen im Bekenntnisbuch nur Karl Emmerich Baumgärtel (1887-1958), Josef Hieß (1904-1973, nach 1945 Initiator des ‚Dichtersteins Offenhausen‘), Karl Itzinger (1888-1948), Hans Reinthaler (1900-1964) und Gertrud Fussenegger, die sich 1961 in Oberösterreich ansiedelte.
Klaus Amann
Bekenntnisbuch österreichischer Dichter. Hg. vom Bund deutscher Schriftsteller Österreichs. Wien 1938.
Amann, Klaus: Zahltag. Der Anschluß österreichischer Schriftsteller an das Dritte Reich. 2. erw. Aufl. Bodenheim 1996, bes. S. 191-200. - Klaffenböck, Arnold: Literatur im Reichsgau Oberdonau 1938-1945. In: Birgit Kirchmayr (Hg.): "Kulturhauptstadt des Führers". Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich; ein Projekt der Oberösterreichischen Landesmuseen in Kooperation mit Linz 2009 KulturhauptstadtEuropas. Linz 2008, S. 161-184. - Rebhann, Fritz. M.: Wien war die Schule. Wien u. a. 1978, bes. S. 56-58. - Renner, Gerhard: Österreichische Schriftsteller und der Nationalsozialismus (1933-1940). Der ‚Bund der deutschen Schriftsteller Österreichs‘ und der Aufbau der Reichsschrifttumskammer in der ‚Ostmark‘. Frankfurt/Main 1986. - Unser Oberdonau. Ewiger Kraftquell der Heimat. Ein deutscher Gau in Kunst und Dichtung. Ausgew. und hg. von Anton Fellner. Berlin 1944.