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BLATTWERK

Cover der ersten Publikation 1994

Der von 1994 bis 2000 in Linz geführte Verlag zählt zu den wichtigsten Publikationsorganen der deutschsprachigen literarischen Avantgarde.

Die beiden Verlagsgründer Christian Steinbacher und seine damalige Lebensgefährtin Elisabeth Messner zeichneten nicht nur für Textauswahl und Lektorat, sondern auch für Gestaltung und Ausstattung Ihrer Publikationen selbst verantwortlich. Insgesamt gingen aus dieser Zusammenarbeit 31 Titel, sogenannte Blätter, hervor, deren Umschlag am unteren Rand jeweils eine andere botanisch exakte Blattsilhouette ziert.

Neben Veröffentlichungen einer jüngeren Generation Schreibender, die etwa durch Franzobel, Ronald Pohl (geb. 1965) und Lisa Spalt (geb. 1970) vertreten ist, erschienen im BLATTWERK auch Arbeiten von etablierten AutorInnen, wie Bodo Hell (geb. 1943), Fritz Lichtenauer, Andreas Okopenko (1930-2010) oder Ingo Springenschmid (geb. 1942). Sie alle repräsentieren für Steinbacher eine "Tradition, die sich mit der Moderne und ihren weiterführenden Bewegungen auseinandersetzt und hier Sprache einzulösen und poetisch weiterzuentwickeln versucht" (Ramsauer 1999), und die am traditionellen Buchmarkt lediglich ein Nischendasein fristet. In programmatischer Hinsicht wurde dadurch die Arbeit von Margret und Heimrad Bäckers 1968 in Linz gegründeter Zeitschrift und der gleichnamigen, seit 1976 bestehenden edition neue texte fortgesetzt, die 1994 vom Grazer Literaturverlag Droschl übernommen wurde.
In diesem Jahr nahm BLATTWERK seine verlegerische Tätigkeit auf, u. a. mit einer Auswahl aus dem lyrischen Werk von Waltraud Seidlhofer, einer der prononciertesten AutorInnen aus dem Umfeld von neue texte. Auch die als Blatt 1 publizierte Anthologie linzer notate. positionen und die literarischen Debüts der Oberösterreicher Robert Stähr und Judith Fischer (geb. 1967) belegen die Bedeutung der Neugründung für die regionale Avantgardeliteraturszene, die zuvor vor allem durch Bäckers Wirken publizistische Beachtung gefunden hatte.

Alle vier Titel des ersten Verlagsprogramms charakterisiert zudem ein poetisches Ausloten von Sprach- und Gattungsgrenzen, das auch Christian Steinbachers eigene literarische Arbeiten kennzeichnet und BLATTWERK bis in die Buchgestaltung prägte. Fischers innereien wurden dementsprechend mit Scherenschnitten von Christian Hutzinger versehen, spätere Veröffentlichungen kombinieren etwa visuelle Arbeiten Fritz Lichtenauers (pattern, 1995) "mit poetischen Beigaben von Ronald Pohl", Angelika Kaufmanns Zahlenbilder + 7 : 17 (1997) mit Gedichten von Sylvia Kummer oder präsentieren unter dem Titel Augenklappe (2000)eine von Otto Saxinger und Bodo Hell gestaltete Verbindung von Bild und Text.
Angesichts dieser, zumeist von Steinbacher gestifteten Gemeinschaftsarbeiten lässt sich Büchermachen auch als Kommunikationsmittel verstehen, das AutorInnen durch die Auseinandersetzung mit anderen künstlerischen Positionen eine kritische Reflexion ihrer eigenen Arbeitsweisen erlaubt. Literaturtheoretisch-poetologische Publikationen im BLATTWERK wie Konzept und Poesie, herausgegeben 1995 in Zusammenarbeit mit Franzobel, Drehpunkte zwischen Poesie und Poetologie,entstanden 2000 anlässlich des gleichnamigen, mit dem Literaturwissenschaftler Thomas Eder im Literarischen Quartier der "Alten Schmiede" Wien organisierten Symposiums, oder IO. poesis digitalis (1997) von Friedrich W. Block verdeutlichen diesen Anspruch.

Das BLATTWERK als Resultat der editorischen Anstrengung von Messner und Steinbacher wächst sich damit aus zu einem großen gemeinsamen Text, der im Idealfall mehr Erkenntnisse als seine einzelnen Blätter bereithalten mag.
Viele AutorInnen setzten, dank der intensiven Aufbauarbeit von Messner und Steinbacher, auch nach dem Ende von BLATTWERKihre literarische Arbeit fort. Ihr verlegerisches Projekt zielte nicht auf kurzfristige Gewinnorientierung, sondern Nachhaltigkeit, die auf Basis kollegialen Zusammenarbeitens sorgfältige Buchproduktion und Beiträge im "Fort- und Neuschreiben einer avancierten Dichtkunst" (Steinbacher 1997, 71) und ihrer Rezeption ermöglicht. In dieser Hinsicht bleibt BLATTWERK auch für nachfolgende Generationen von PublizistInnen stilbildend.

Florian Huber

 

Blatt 1: linzer notate. positionen (1994).
Blatt 2: waltraud seidlhofer: anstelle von briefen. ausgewaehlte lyrik 1967-1992 (1994).
Blatt 3: Robert Stähr: SCHRITT / WECHSEL. Fünf Prosastücke (1994).
Blatt 4: judith fischer: innereien. mit scherenschnitten von christian hutzinger (1994).
Blatt 5: fritz widhalm: EIN SCHWARZER HERRENSCHIRM (1995).
Blatt 6: christine huber: verlaufen vermehrt. mehrstimmige gedichte (1995).
Blatt 7: Harald Gsaller: zack! (1995).
Blatt 8: fritz lichtenauer: pattern. mit poetischen beigaben von ronald pohl (1995).
Blatt 9: werner herbst: alfabet (1995).
Blatt 10: chris bezzel: intermezzo (1995).
Blatt 11: Franzobel: Hundshirn (1995).
Blatt 12: Konzept und Poesie (1996).
Blatt 13: werner garstenauer: relief. mit transparentbeigaben von otto saxinger (1996).
Blatt 14: dieter sperl: draußen im kopf (1996).
Blatt 15: ronald pohl: in puts. ein zimmer küchen kabinettstück (1996).
Blatt 16: waltraud seidlhofer: la(e)sergedichte. mit textgrafiken von fritz lichtenauer (1996).
Blatt 17: Robert Stähr: Umtexte (1997).
Blatt 18: ingo springenschmid: sonders & samt (1997).
Blatt 19: angelika kaufmann: + 7 : 17. mit gedichten von sylvia kummer (1997).
Blatt 20: judith fischer: mimose. schneckenhaus (1997).
Blatt 21: friedrich w. block: IO. poesis digitalis (1997).
Blatt 22: Toni Kleinlercher: Eiweißschaum aus allen Pornotoren. Eine afrikanische Reiseernüchterung (1998).
Blatt 23: Andreas Jungwirth: Zwischen Nase und Brillenbogen. Einfälle. Mit Telefonomanien von Gerhard Jaschke (1998).
Blatt 24: ronald pohl: der möwensimulator (1998).
Blatt 25: Andreas Okopenko: Traumberichte (1998).
Blatt 26: fritz widhalm: mr. elk & mr. seal (1999).
Blatt 27: waltraud seidlhofer: text: ein erinnern (1999).
Blatt 28: lisa spalt: leichte reisen von einem ende der erde (1999).
Blatt 29: Drehpunkte zwischen Poesie und Poetologie (2000).
Blatt 30: ronald pohl: von stühlen drangs. gedichte (2000).
Blatt 31: Bodo Hell, Otto Saxinger: Augenklappe (2000).

Ramsauer, Ulrike: Handwerk: Bücher machen. Ein Gespräch mit den KleinverlegerInnen der Edition Blattwerk in Oberösterreich (= www.kunstfehler.at/ShowArticle.asp (erschienen 1999, zuletzt aufgerufen am 1. Oktober 2014). - Steinbacher, Christian: "Blattwerk". In: Josef Linschinger (Hg.): Poesie konkret - visuell - konzeptuell. Gmundner Symposium. Klagenfurt 1997, - 71-88. - Tragler, Johanna: Fragebogen von Christian Steinbacher,

Blattwerk. Linz 2000. - Dies.: Literatur- und Kulturverlage in Oberösterreich. Kulturpolitische Voraussetzungen - Marktbedingungen - Situation. Linz 2000.