In dieser Funktion zeichnet Steinbacher u. a. für das seit 2005 alle zwei Jahre stattfindende, spartenübergreifende Poesiefestival "Für die Beweglichkeit" und die von ihm initiierte Lesereihe "Linzer Notate" verantwortlich. 1994-2000 fungierte er als Herausgeber von "Blattwerk" im selbst gegründeten gleichnamigen Verlag.
Steinbachers erste Publikationen aus den 1980er Jahren schulden sich einer intensiven Auseinandersetzung mit visueller Poesie, exemplarisch hierfür das Buchdebüt DER BREI (1988); in den 1990er Jahren wird dies durch eine Bezugnahme auf konzeptionelle Kunst und Literatur (Zwölf Dutzend, 1993) ergänzt. Lektüre wird hierbei wie das literarische Schreiben selbst als kreativer Prozess verstanden, der einen intensiven Austausch zwischen künstlerischer Produktion und ihrer Rezeption ermöglicht. Daraus folgend versteht Steinbacher unter Poesie von Anfang an - analog zur griechischen poiesis - sämtliche "kreativen Prozesse des Herstellens, Machens und Vermittelns" jenseits tradierter Gattungsgrenzen und anerkannter Denkschulen.
In Steinbachers Werk bilden theoretische Reflexion und praktisches Tun keinen Widerspruch, sondern knüpfen vielfältige Beziehungen, die die klassische Rollenteilung des etablierten Literaturbetriebs bewusst zu unterlaufen suchen. Literatur ist für den Autor eine Lebensform, ein Mittel zur Kommunikation als "Spiel der Gegenrede" (Florian Neuner), wie auch an seinen zahlreichen, häufig interdisziplinären Gemeinschaftsarbeiten (u. a. mit Franzobel, Peter Sommerauer, geb. 1966; Elisabeth Wandeler-Deck, geb. 1939) deutlich wird. Dementsprechend ist Dichtung nicht von der Philosophie, der Verleger nicht vom Autor, der Essayist nicht vom Dichter, der Leser nicht vom Schreiber Steinbacher zu trennen, der dem romantischen Gestus vom autonom agierenden Dichter-Ich zum Trotz Zuflucht bei einer Diskussion sucht, die Literatur mehr als Hervorbringung neuer Weltentwürfe denn als Abbild bestehender Wirklichkeiten verstehen möchte.
Bei Steinbachers beiden großen Prosabüchern Für die Früchtchen. Ein Plädoyer (2000) und Die Treffsicherheit des Lamas. Oder: Von Melancholien, Maul-Würfen und deren Zurückweisung (2004) handelt es sich wesentlich um poetische Lektüreberichte. Seine Lyrik, beginnend mit der Sammlung von Anagrammdichtungen unter dem Titel ana. 365 gramm (1991), kennt neben Widmungen auch "Anrufungen", die auf die differenzierte Weiterführung vergessener literarischer Traditionslinien (etwa in Gestalt literarischer Grenzgänger wie Jean Paul oder Raoul Hausmann) anspielen und diese bisweilen widerstreitend in die eigene dichterische Stimme zu integrieren suchen. Texte, die allesamt einem "HOFFEN AUF VERFRANSUNG" geschuldet sind, wie in der wandel motzt (Steinbacher 2000, 48) zu lesen steht. Ein Hoffen, das dort beginnt, wo die Welt als Sinnüberschuss in der eigenen Dichtung die Überhand gewinnt: "Schreiben als lüsterne Bewegung, aufreizendes Herummachen, Ausreizen von Grenzen." (Nachbaur 2007).
Immer wieder erweist sich Steinbacher dabei als Meister der Anverwandlung, der es in Prosa wie Lyrik gleichermaßen versteht, vorgefundenes Textmaterial in neue Kontexte zu übersetzen, um Silben, Phonemen oder einzelnen Wörtern überraschende Bedeutungen abzuringen. Literatur erscheint so als ein romantisch inspiriertes Spiel mit der Dekonstruktion, das nach neuen Genres wie "Zierleisten", "Mehrzweckklemmen", "Textmieder" und "Maul-Würfe(n)" verlangt, als Wiederbelebung klassischer Erlebnislyrik oder als forschende Tätigkeit, die sich um eine adäquate Übertragung musikalischer Vorlagen in poetische Kunstsprache(n) bemüht, wie im bislang unpublizierten Gedichtzyklus Kaum konzertante Konzentrate, der 2010 mit dem Hauptpreis des Wartholzer Literaturbewerbs ausgezeichnet wurde. 2013 erfolgte die Auszeichnung mit dem Heimrad-Bäcker-Preis.
Florian Huber
DER BREI. eine hinaufarbeit-dung aus dem jahre 1983 gesetzt&ueberarbeitet 1986-87. Wien o. J. [1988]. - briefstempeltexte. Siegen 1988. - ana. 365 gramm. Linz, Wien 1991. - [gem. mit Franzobel:] Unter Binsen. Graz 1996. - der wandel motzt. Wien 2000. - Für die Früchtchen. Ein Plädoyer. Innsbruck 2000. - Die Treffsicherheit des Lamas. Oder: Von Melancholien, Maul-Würfen und deren Zurückweisung. Innsbruck 2004. - Wangerl, abgehoben. Vom Zurechtbiegen und Stehen Lassen. Wien 2005. - Zwirbeln, was es hält. Gedichte. Innsbruck, Wien 2006. -[gem. mit Zsuzsanna Gahse:] Klotzkopf. Hausgemachte Fiktionen. Ottensheim 2009. - Der Schluck auf der Lücke. Wien 2010. - Eingeschliffnes Wissen am Wegesrand (mit Mörike). Kirchseeon 2011. - Winkschaden, abgesetzt. Gedichte und Stimmen. Wien 2011. - Untersteh dich! Ein Gemenge. Wien 2012. - Tief sind wir gestapelt: Gedichte. Wien 2014. - Kollegiales Winken. Eine Auswahl an Gebrauchs- und Gelegenheitstexten (1987-2014). Wien 2015. - Gräser im Wind. Ein Abgleich. Wien 2017.
Aspalter, Christian: "[...] wenn die Rede wild wird und sich gar nicht mehr regieren lässt". In: wespennest 2001, H. 112. - Block, Friedrich W.: Beobachtung des "ICH". Zum Zusammenhang von Subjektivität und Medien am Beispiel experimenteller Poesie. Bielefeld 1999, S. 241-244. - Eder, Thomas: Reden wir übers Dichten. Einige Notizen zu Gedichten in der Rampe. In: Die Rampe. Selbstporträt. Linz 1995. - Jandl, Paul: Kein Halt der Krücke bleibt. Christian Steinbachers Gedichte. In: Neue Zürcher Zeitung, 21.1.2006. - Kühn, Renate: Writing without Apollo II. In: dies.: Das Rosenbaertlein-Experiment. Studien zum Anagramm. Bielefeld 1994. - Nachbaur, Petra: Der Wackelkontakt zwischen Himmel und Erde. In: wespennest 2007, H. 149. - Neuner, Florian: Unfaßlich! Form? Gedichte und gedichtähnliche Stücke von Christian Steinbacher. In: Scheinschlag. Berliner Stadtzeitung 7 (2000). - Ders.: Schweifen im Schleifen. In: wespennest 2005, H. 141. - Ders.: Christian Steinbacher: Die Treffsicherheit des Lamas. - Ders. (Hg.): Porträt Christian Steinbacher (= Die Rampe. Hefte für Literatur 2016, H. 3; enth. ausführliche Bibliografie). - Schmidt-Dengler, Wendelin: Über Christian Steinbacher. In: Die Rampe. Hefte für Literatur 2007. H. 1, 8-9.