Francesco Petrarca (1304-1374) begründete die Dichterkrönung als programmatisches Ritual, als ausgestaltete Feier und als beurkundeten Rechtsakt, als er sich am 9. April 1341 in Anknüpfung an ein antikes Zeremoniell und als Bekenntnis zum kulturellen Erbe der Antike auf dem Kapitol von den amtierenden römischen Senatoren zum "Poeta laureatus" krönen ließ. Damit wurde die Dichterkrönung als Akt etabliert, der einen literarischen, politischen und wissenschaftlich-akademischen Anspruch vereint, wobei die neuzeitliche Tradition dieses Modell modifiziert fortsetzte. Institutionsgeschichtlich gesehen handelt es sich um das Verfahren einer außeruniversitären Graduierung, die mit bestimmten Rechten verbunden ist (z. B. Lehre an einer Universität).
Die kaiserlichen Dichterkrönungen setzten mit Kaiser Karl IV. (1319-1378) ein, der am 24. Mai 1355 in Pisa dem florentinischen Dichter und Humanisten Zanobi da Strada (1312-1361) den Dichterlorbeer verlieh. Als erster Deutscher wurde Conrad Celtis (auch: Celtes, d. i. Konrad Bickel bzw. Pickel, 1459-1508) am 18. April 1487 von Kaiser Friedrich III. (1415-1493) auf dem Nürnberger Reichstag zum "Poeta laureatus" gekrönt. Kaiser Maximilian I. (1459-1519) hat mit etwa 30 "Poetae laureati" die meisten Dichter gekrönt. Die Initiative zur Dichterkrönung ging in der Regel vom Dichter aus, wobei Maximilian mit der gezielten Auszeichnung kaiserfreundlicher Handlungen und Texte die gekrönten Humanisten zur literarischen Herrschaftsrepräsentation und Sicherung seines Nachruhms verpflichtete. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jh. verloren die Dichterkrönungen zusehends an Bedeutung, besonders weil die Verleihungsgewalt vom Kaiser auch anderen Funktionsträgern und Institutionen, z. B. Rektoren bzw. Universitäten, übertragen wurde. Im Heiligen Römischen Reich wurde der Lorbeerkranz bis zur letzten Krönung 1804 rund 1350mal verliehen - darunter gerade zwanzigmal an Dichterinnen; von ihnen ist die 1761 in Halberstadt gekrönte Anna Louisa Karsch (1722-1791) die heute noch bekannteste.
In Linz fanden drei Dichterkrönungen statt, die alle von Maximilian vorgenommen wurden, als er sich gerade in der Stadt aufhielt. Quintius Aemilianus (auch: Quinzio Emiliano, Cimbriacus Poeta u. a., 1449-ca. 1499), ein Humanist aus Vicenza, war bereits von Friedrich III., der sich auf seiner Rückreise von Rom befand, 1469 in Pordenone gekrönt worden. Friedrichs Sohn Maximilian wiederholte seine Krönung am 3. Oktober 1489 in Linz und ernannte ihn zudem zum Hofpfalzgrafen (Comes palatinus caesareus). Wie in der Forschung manchmal behauptet (vgl. etwa Schmid 1989, 93), wurde sein Sohn Vegentius Cimbriacus Marone (Vegenzio Cimbriaco Marone, geb. 1475) in derselben Zeremonie nicht zum Dichter gekrönt, allerdings ebenfalls mit dem Palatinat ausgezeichnet (vgl. Flood 2006), dem urkundlich verliehene hofpfalzgräfliche Rechte eigneten (z. B. die Verleihung von Doktortiteln).
Der schlesische Dichter und Humanist Vincentius Longinus Eleutherius (Vincenz Lang, gest. 1503), Schüler und Freund von Celtis, wurde am 1. März 1501 zum "Poeta laureatus" gekrönt. Dies erfolgte im Rahmen der Aufführung des Festspiels Ludus Dianae von Celtis auf der Linzer Burg vor Maximilian, seiner zweiten Frau Bianca Maria Sforza (1472-1510) und ihren italienischen Verwandten. Lang trat in dem Drama neben anderen Mitgliedern der Sodalitas litteraria Danubiana - jener Wiener Humanistenvereinigung, die Celtis im Jahr seiner Ankunft in Wien 1497 gegründet hatte, - zusammen mit Celtis selbst auf und spielte den Bacchus.
Schließlich wurde der Schweizer Humanist, Mediziner und Reformator Joachim Vadian (auch: Vadianus, d. i. Joachim von Watt, 1484-1551), der 1502 nach Wien gekommen war und bei Celtis studierte, am 12. März 1514 in Linz zum "Poeta laureatus" gekrönt. In seiner Poetik De poetica et carminis ratione liber (1518) berichtet Vadian über das Zeremoniell: Nachdem er ein panegyrisches Gedicht auf Friedrich III. und Maximilian vorgetragen hatte, krönte ihn der Kaiser anstatt des fehlenden Lorbeers mit einem Kranz aus Buchs - "Corona e buxo texta (nam laurus non suppetebat)" (zit. nach Heger 1978, 12).
Die in der Fachliteratur bisweilen für Linz reklamierten Dichterkrönungen des aus Pordenone stammenden Humanisten Paulus Amalt(h)eus (Paul Amalteo, 1470-1517) im Jahr 1489 (vgl. etwa Schmid 1989, 93) und des Humanisten (Salemnius) Delius durch Friedrich III. am 20. Juli 1492 (vgl. etwa Newald 1926, 193; Wacha 1995, 322) werden vom aktuellen Forschungsstand nicht bestätigt (vgl. Flood 2006).
Andreas Brandtner
Fischer-Colbrie, Arthur: Der Schweizer Humanist Vadianus und dessen Dichterkrönung in Linz. In: Oberösterreichischer Kulturbericht 1953, Folge 44/45. - Flood, John L.: Poets Laureate in the Holy Roman Empire. A Bio-Bibliographical Handbook. 4 Bde. Berlin u. a. 2006. - Heger, Hedwig (Hg.): Spätmittelalter, Humanismus, Reformation. Texte und Zeugnisse. Teilbd. 2 (Blütezeit des Humanismus und Reformation). München 1978. - Kaltenbäck, Johann Paul: Die Dichterkrönung zu Linz 1501. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde 1 (1835), 9-12 u. 14-16. - Mertens, Dieter: Maximilians gekrönte Dichter über Krieg und Frieden. In: Franz Josef Worstbrock (Hg.): Krieg und Frieden im Horizont des Renaissancehumanismus. Weinheim 1986, 105-123. - Näf, Werner: Die Vorbereitung von Vadians Dichterkrönung. In: ders.: Vadianische Analekten. St. Gallen 1945, 1-4. - Newald, Richard: Beiträge zur Geschichte des Humanismus in Oberösterreich. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 81 (1926), 155-223. - Schirrmeister, Albert: Triumph des Dichters. Gekrönte Intellektuelle im 16. Jahrhundert. Köln u. a. 2003. - Schmid, Alois: "Poeta et orator a Caesare laureatus". Die Dichterkrönungen Kaiser Maximilians I. In: Historisches Jahrbuch 109 (1989), 56-108. - Wacha, Georg: Linz unter Maximilian I. Humanisten und Künstler in Linz. In: Oberösterreichische Heimatblätter 49 (1995), 322-358. - Weißengruber, Rainer: Von den Anfängen zum Barock. In: Helga Ebner, Jakob Ebner und Rainer Weißengruber: Literatur in Linz. Eine Literaturgeschichte. Linz 1991, 1-143.