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Engel zweiter Ordnung

Cover der Erstausgabe 2011

Roman von Rudolf Habringer, erschienen 2011 im Picus Verlag (Wien).

Mit seinem fünften Roman nähert sich Rudolf Habringer dem Genre des Krimis. Schon am Beginn steht ein tragischer, zugleich skurriler Unfall, der das weitere Geschehen motiviert. Arnold Walter ist neun Jahre alt, als er bei einem Bootsausflug auf dem Traunsee bei Gmunden seinen Vater verliert. Der Knabe ist Augenzeuge und einziger Überlebender des Unglücks. Als der Vater mit seiner Freundin und deren Tochter für ein Foto posiert, gerät das Boot außer Kontrolle, die Segelstange bricht, alle drei ertrinken.
Erst vierzig Jahre später sieht Walter - er ist inzwischen Universitätsprofessor für Germanistik in Regensburg, verheiratet und hat zwei Kinder - durch Zufall aus einem Fenster Katharina wieder. Er hatte das um zwei Jahre jüngere Mädchen damals nach dem Unfall kennengelernt, nachdem ihr Vater, ein Gendarm, den verstörten Jungen mit nach Hause gebracht hatte, und war später mit ihr in Gmunden zur Schule gegangen, ehe sich die Spuren der beiden vorzeitig verlieren.
Walter, der Katharina wiedersehen möchte, engagiert schließlich einen Linzer Privatdetektiv, der ihm die Mailadresse der mit einem erfolgreichen Politiker verheirateten Jugendliebe vermittelt. Heimliche Treffen und ein erotisches Wochenende in Krumau folgen. Dass der Privatdetektiv Seisenbacher den beiden nachstellt, um sie mit Fotos und einer Videoaufnahme zu erpressen, bleibt den beiden Verliebten zunächst verborgen.

Durch die in drei Perspektiven der Hauptfiguren - Arnold Walter, Katharina Bogner und Seisenbacher - gegliederte Romanstruktur ergeben sich unterschiedliche Blickwinkel und zugleich der Spannungsbogen des Textes. Die Sichtweise der männlichen Protagonisten endet jeweils mit deren Ermordung. Walter folgt dem vereinbarten Treffen mit dem schmierig gerissenen Detektiv, der sein Opfer mehr unabsichtlich als gewollt erschießt. Gegen Ende des Buches wächst Katharina aus ihrer Rolle als Ehefrau und Geliebte heraus, indem sie ihren Liebhaber rächt und umgekehrt den Erpresser Seisenbacher überrumpelt.
Habringers Erzählweise ist beobachtend genau, feinfühlig psychologisch, wirkt aber nie psychologisierend, ist humorvoll, aber nie auf bloßen Effekt aus. Zu Recht lässt sich feststellen, "dass Rudolf Habringer mit Engel zweiter Ordnung ein spannender, humorvoller und im bestem Sinne unterhaltender Roman gelungen ist; und - was vielleicht noch viel erfreulicher ist - dass Habringer offensichtlich immer besser wird." (Leitner 2011) Sein 2014 erschienener Roman Was wir ahnen kann gewissermaßen als Fortsetzung aufgefasst werden, greift der Autor die Lebensgeschichten der Figuren sowie ihrer Umgebung - dabei entspannen sich auch ungeahnte Verwandtschaftsbeziehungen - erneut auf und entwickelt damit eine Vielzahl moderner Gesellschaftsskizzen.

Bernhard Judex

 

Engel zweiter Ordnung. Roman. Wien 2011. - Was wir ahnen. Roman. Wien 2014.

Leitner, Simon: Rudolf Habringer: Engel zweiter Ordnung. In: Buchmagazin des Literaturhaus Wien, 29.3.2011. - Sturm, Helmut: Rudolf Habringer: Engel zweiter Ordnung. In: Literatur und Kritik 46 (2011), H. 457/458, 99.