Kuefstein stammte aus einem in Greillenstein ansässigen Geschlecht, das vom unabhängigen Standesbewusstsein und der festen protestantischen Glaubenüberzeugung des aus dem Ritter- in den Herrenstand Aufgestiegenen zeugt. Hans Ludwig "hat seine Jugend in Studiern, Raisen und Erlehrnung der Sprachen wohl angelegt" (Khevenhüller 1722, 363). Er studierte in Prag (1590-93), Jena (1594-97), Padua (1600), Siena (1600), Bologna (1601), Tübingen und Straßburg. 1602 wurde er in den Stand des Freiherrn versetzt, 1603 besuchte er Spanien. Die Eindrücke der spanischen Hofkultur wurden für ihn im späteren Leben bestimmend.
In der Heimat spielte er zunächst wie seine Brüder eine führende Rolle in der ständischen Adelsopposition. Von seinem Vater Hans Georg (1536-1610) übernahm er die Herrschaft Buchberg am Kamp, wo er zunächst wohnte. 1619 beteiligte er sich an der sogenannten "Sturmpetition" der Evangelischen vor Kaiser Ferdinand II. in der Wiener Hofburg und verhandelte mit den deutschen Fürsten auf dem Unionstag in Nürnberg. Gleichzeitig erwies er sich als formgewandter Übersetzer und Nachdichter galanter höfischer Romane: Noch im selben Jahr veröffentlichte er seine Übersetzung des Romans Diana des spanisch schreibenden Portugiesen Jorge de Montemayor (um 1520-1561), eines der Hauptwerke der spanischen Schäferdichtung. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon weitere Übersetzungen aus romanischen Sprachen abgeschlossen: Giovanni Boccaccios Fiammetta und Diego de San Pedros Cárcel de amor.
1620 trat Kuefstein in die niederösterreichische Regierung ein, 1623 wurde er ständischer Verordneter. In erster Ehe war er seit 1607 mit Maria Grabnerin zu Rosenburg (1589-1623), in zweiter seit 1623 mit Susanna Eleonora von Stubenberg (1602-1658?) verheiratet. Alle 15 Kinder aus erster Ehe starben bei oder kurz nach ihrer Geburt. Susanna Eleonora brachte es auf 24 Geburten; es überlebten aber nur acht Söhne und drei Töchter.
Politisch zeigte sich Kuefstein immer konsensbereit. Sein Übertritt zum Katholizismus führte die Karriere steil bergan: Als Leiter einer Großbotschaft an Sultan Murad IV. verhandelte er 1628 in Konstantinopel über die Verlängerung des Friedens mit dem Osmanischen Reich. Darüber fertigte er eine Relation an. "Aus diesem Buche habe ich lesen gelernt", trug der spätere Kaiser Joseph II. 1748 in das bei Hof vorhandene, handschriftliche Exemplar ein. In der Tat eignet sich das Werk mit seiner verständlichen Darstellung der komplizierten Verhältnisse und der vielfachen Schwierigkeiten, die es im Verkehr mit den Türken auf dem Verhandlungsweg zu meistern galt, bestens als Lesestoff für werdende Diplomaten. Über 300 Jahre nach Kuefsteins Tod wertete Georg Schreiber diese Relation in Fahrt zur Hohen Pforte (1965) in romanhafter Form aus. Zwei weitere Berichte, De statu Turcarum und De statu Tartariae (beide 1629), beruhen ebenfalls auf seinen diplomatischen Erfahrungen im Osten.
Seit seiner Einsetzung durch Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1630 wirkte Kuefstein bis zu seinem Tod als Landeshauptmann von Oberösterreich und verfolgte dabei eine konsequent gegenreformatorische, auf Brechung der Ständemacht gerichtete Politik. 1634 belohnte ihn der Kaiser dafür mit den Würden eines Reichsgrafen und Geheimrates. Umfangreiche, literarisch noch nicht ausgewertete Briefbände im oö. Landesarchiv dokumentieren sein Wirken im Land ob der Enns. Durch den Erwerb zweier Stadthäuser in Linz und der Herrschaften Weidenholz (1635), Hartheim (1639), Eggenberg und Rechberg (beide 1650) wurde er zu einem der reichsten Grundbesitzer in Oberösterreich. Zugleich gelang es ihm, das von Bauernkriegen, Religionskämpfen und Einquartierungen zerrüttete Land wieder zur ‚Normalität‘ zurückzuführen, wozu kluge wirtschaftliche Maßnahmen wie z. B. die Errichtung einer Pulverfabrik in Linz und einer Waffenfabrik in Steyr beitrugen.
Auf literarischem Gebiet gebührt Kuefstein "das unsterbliche Lob, daß er unter den ersten gewesen, die aus fremden Sprachen [d.h. lebenden Fremdsprachen] zu übersetzen angefangen", wie Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658) 1646 anlässlich seiner erweiterten Neuausgabe und Bearbeitung von Kuefsteins Diana-Übersetzung schrieb. Mit seinen deutschen Versionen neusprachlicher pastoraler Großformen wandte er sich vor allem an den kulturell aufgeschlossenen Adel sowie insbesondere an dessen weibliche Leserschaft und knüpfte erfolgreich an die am Wiener Hof lebendige spanische Tradition an. Dabei leitete er zur Übersetzungsliteratur des Barockzeitalters über und gehört zu den frühesten Vermittlern neuer Strömungen in den romanischen Literaturen, insbesondere des Schäferromans.
Während seine ungedruckt gebliebene Übertragung von Giovanni Boccaccios Novelle Fiammetta anscheinend verloren gegangen ist, erlebten seine Übersetzungen aus dem Spanischen noch im Laufe des 17. Jh. mehrere Auflagen.
In seiner Diana-Übersetzung von Montemayors Los siete libros de la Diana (um 1599) und der ersten Fortsetzung dieses Werkes, die 1564 von Alonso Pérez unter dem Titel La Diana de Iorge de Montemayor, Segunda parte veröffentlicht wurde, liebt der Schäfer Sireno die schöne Diana, erfährt jedoch nach längerer Abwesenheit, dass diese inzwischen Delio geheiratet hat. Andere enttäuschte Hirten und Hirtinnen erzählen ihre Erfahrungen und tauschen mit ihm Gedanken über die Liebe aus. Schließlich bitten alle die Zauberin Felicia um Hilfe. Diese reicht ihnen einen Zaubertrank, der ihre Schwierigkeiten löst. Sireno empfindet fortan nur mehr Gleichgültigkeit gegenüber seiner früheren Geliebten. Im zweiten Teil ringt er allerdings wieder um die Gunst der inzwischen verwitweten Diana, wie das für die serielle barocke Romanpoetik typisch ist. Kuefsteins Diana-Übersetzung bildete die Vorlage für eine lateinische Version, die Kaspar von Barth 1625 unter dem Titel Erotodidascalus ("Lehrmeister der Liebe") im Druck herausbrachte.
Diego de San Pedros allegorischer Liebesroman Cárcel de amor (1492), von Kuefstein als Gefängnüss der Lieb in deutscher Sprache veröffentlicht, galt geradezu als das Liebesbrevier der Hofleute in Spanien, Frankreich und Italien. Das Büchlein handelt von der tragischen Liebe von Constante zur Prinzessin Rigorosa. Der Verfasser ist als Briefbote in die Handlung einbezogen. Die Liebesbeziehung des Paares wird durch Intrigen hintertrieben; falsche Zeugenaussagen führen sogar dazu, dass Rigorosa von ihrem Vater zum Tod verurteilt wird. Constante befreit die Prinzessin aus der Haft und bringt sie in seine Festung. Obwohl einer der falschen Zeugen seine Lügen einbekennt und Rigorosa als rehabilitiert erscheint, nimmt die Geschichte eine tragische Wendung: Infolge einer überspitzten Auslegung des höfischen Ehrenkodex schlägt Rigorosa die Ehe mit Constante aus, worauf dieser beschließt, den Hungertod zu erleiden. 1678 griff eine wandernde Schauspielertruppe den ihr durch Kuefsteins Übersetzung bekannten Stoff auf, die Erzählung wurde, mit einem Happy End versehen, zum Theaterstück Liebs-Gefängnüs Traur-Freuden-Spiel umgearbeitet.
Was Kuefstein vom bloßen Übersetzer zum Bearbeiter seiner Vorlagen macht, ist sein Bemühen, ,,den Handlungsverlauf durch Zusätze und Erläuterungen zu verdeutlichen und psychologisch zu motivieren" (Meid 2009, 686). Für die deutsche Lyrik des frühen 17. Jh. sind schließlich seine Nachschöpfungen der in das spanische Vorbild eingestreuten Gedichte bemerkenswert, wenngleich sie bei Harsdörffer in seiner oben erwähnten Bearbeitung der Kuefstein'schen Diana keine Gnade fanden: Er ersetzte sie samt und sonders durch eigene, den Regeln des Martin Opitz entsprechende Gedichte.
Robert Hinterndorfer
Übersetzung von: Giovanni Boccaccio: Fiammetta (ungedruckt, verschollen). - Carcell De Amor. Oder/ Gefängnüß der Lieb, Darinnen eingebracht wird/ die trawrige und doch sehr schöne Historia/ von einem Ritter/ genandt Constante, Und der Königlichen Tochter Rigorosa. Auß Spanischer Sprach in Hochteutsch gebracht/ Durch [...] Hans Ludwigen/ Herrn Khueffsteinern/ Freyherrn/ &c., Leipzig 1625; Leipzig 1635; Hamburg 1660 u. ö. (Neudruck der Ausg. von 1625 hg. von Gerhart Hoffmeister. Bern, Frankfurt/Main 1976). - Erster vnnd anderer Theil Der newen verteutschten Schäfferey/ von der schönen verliebten Diana/ vnd dem vergessenen Syreno/ [...] Auß Spanischer Spraach in Hochteutsch gebracht Durch [...] Hans Ludwigen/ Herrn/ Khueffsteinern/ Freyherrn/ &c., Linz 1619 u. 1624; Leipzig 1628. - Diana, Von H. J. De Monte-Major, in zweyen Theilen Spanisch beschrieben/ und aus denselben geteutschet Durch Weiland Den Wolgebornen Herrn/ Herrn Johann Ludwigen/ Freyherrn von Kueffstein/ &c. Anjetzo aber Mit deß Herrn C.‹aspar› G.‹il› Polo zuvor nie=gedollmetschtem dritten Theil vermehret/ und Mit reinteutschen Red=wie auch neu=üblichen Reim=arten ausgezieret Durch G.‹eorg› P.‹hilipp› H.‹arsdörffer›. Nürnberg 1663. - Diarien über politische und diplomatische Missionen (Linzer, Niederländisches, Nürnberger, Horner und Retzer Diarium; Mss., Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, NÖ. Akten, Fasc. 10b). - Relation von der verrichten Türckischen Absandtung (Staatsarchiv Wien, Staatenabteilung Türkei I, Karton 111 [1627-1629]. Weitere Ex.: Ehem. Schlossarchiv Greillenstein; oö. Landesarchiv Linz, Weinberger Archiv, Ottomanische Legation, Hs. Nr. 16; Bibl. d. Wiener Konsularakademie. Großteils abgedruckt in: Franz Christoph Khevenhüller: Annales Ferdinandei, Bd. 11. Regensburg, Wien 1646, 252ff; Auszug in: Teply o. J. [1976]. - De statu Turcarum und De statu Tartariae (beide Mss. 1629; ÖNB Wien, Hss.-Slg.). - Der Christliche Seneca. Das ist: Christliche Tugenden/ auß denen Episteln L.‹ucii› Annaei Senecae gezogen und in 38. Capitel abgetheilet. In teutsche Sprach versetzet [im Text der Vorrede: durch Grafen von Kuffstein/ Herrn von Spiz und Greilnstein/ auf Hartheim und Weidenholz]. Frankfurt/Main 1670.
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