Als Sohn eines Bergmanns im Hausruck begann Schürrer nach der Matura in den 1950er-Jahren in Wien mehrere Studien (Jus, Geschichte, Anglistik und Germanistik), wurde aber aufgrund einer Auseinandersetzung mit der Polizei relegiert. Danach lebte er größtenteils von Gelegenheitsarbeiten und verkehrte in Kaffeehäusern und in der Wiener Szene. Drogenexperimente und Alkoholprobleme, Gerichtsverfahren, ein zweijähriger Gefängnis- und ebenso langer Klinikaufenthalt in der Psychiatrie sind die Stationen einer gefährdeten Existenz, die zum Widerstand gegen die herrschende Ideologie bereit war. In Konflikt mit dem Gesetz geriet Schürrer u. a. weil er dem Sohn des bekannten und wegen seiner NS-Vergangenheit (Leitung der Euthanasie-Klinik "Am Spiegelgrund" in Wien) umstrittenen Psychiaters Heinrich Gross nach einem verbalen Schlagabtausch eine Ohrfeige verpasste. Schürrer hielt sich auch längere Zeit in München, Berlin und Rom auf.
"Aus Abneigung gegen das Geld und die damit verbundene Käuflichkeit schrieb ich prinzipiell 15 Jahre Lyrik", heißt es in einer autobiografischen Notiz (zit. nach Schürrer 1975b, 139). Aber auch Prosa und einzelne Theatertexte entstehen. Sein Stück Ist Europa noch eine Messe wert? wurde 1967 in Wien uraufgeführt, 1970 erscheint die erste Buchpublikation, eine Sammlung von Gedichten und Prosa, unter dem programmatischen Titel Der kleinere Teil einer größeren Abrechnung.
Bis heute zählt Schürrer zu den weitgehend unbekannten Autoren. Seine Texte kreisen meist in autobiografischer Anlehnung um Fragen des Daseins und die Schwierigkeit gesellschaftlicher Selbstbehauptung. In äußerst kritischer Weise, schonungslos und direkt bis hin zu bissiger (Selbst-)Ironie, blickt Schürrer auf Missstände und Ungerechtigkeiten des sozialen Lebens. Die assoziative Dichte seiner bildhaften und anspielungsreichen Sprache - z. B. in Der letzte Yankee Doodle vor dem Untergang der Vereinigten Staaten (1981) - treibt er zum Höhepunkt. In einem seiner Gedichte ("Die Ohnmacht") bezeichnet sich das lyrische Ich als "Spieler", der das "Glasperlenspiel des täglichen Umgangs" spielt (Schürrer 1975a, 54). Seine Texte stießen vielfach auf Unverständnis in der zeitgenössischen Rezeption, wenngleich sie nicht selten einen humorvollen Ton anschlagen.
Gemeinsam mit Gerhard Jaschke u. a. gründete Schürrer 1976 in Wien die der Kulturkritik und politischem Engagement verpflichtete Zeitschrift Freibord, die sich als Medium der deutschsprachigen literarischen Avantgarde und des Undergrounds etablierte. In einem "Statement" zur ersten Ausgabe schrieb er: "Wir steuern auf den amorphen Konsumenten und diese amorphe Gesellschaft zu, nicht um zu integrieren, sondern um zu profilieren und zu demaskieren. [...] Wir wollen in dieser Zeitschrift auch eine Dokumentationsstelle für neuere österreichische Schweinereien einrichten." (Schürrer 1976) Einige von Schürrers Publikationen erschienen in der Edition Freibord, dem parallel zur Zeitschrift existierenden Verlag.
Schürrer war Mitglied der Grazer Autorenversammlung, 1985 erhielt er den Literaturpreis der Stadt Wien. Sein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof befindet sich direkt neben dem von Jean Améry.
Bernhard Judex
Der kleinere Teil einer größeren Abrechnung. Wien 1970. - Europa: Die Toten haben nichts zu lachen. München 1971 [Neuaufl. Wien 1995]. - Gedichte. In: Die Rampe 1975, H. 2, 46-74 [= Schürrer 1975a]. - Statement. In: Freibord 1 (1976), H. 1. - Kriminelle Spielereien in der Sandkiste der Weltverbesserer. Wiener Blut zur Ergänzung der europäischen Mythomanie. Ein Märchenbuch für frühreife Erwachsene. Wien 1977. - (Gem. mit Gerhard Jaschke:) Goethe darf kein Einakter bleiben. Wien 1981. - Der letzte Yankee Doodle vor dem Untergang der Vereinigten Staaten. Voräffung einer Liquidation. Wien 1981. - Klar Schilf zum Geflecht. Das ABC von A-Zet. Lyrische Texte 1954 - 1984. Hg. von Lui Dimanche. Wien 1984.
Franzobel: Der Umrührer. Vermischtes zu Hermann Schürrer. In: Die Rampe 1996, Sonderheft "postscriptum", 77-82. - Hermann Schürrer: über sich selbst. In: Die Rampe 1975, H. 2, 139-140 [= Schürrer 1975b]. - Hermann Schürrer zum 50. Geburtstag. Mit Beiträgen von Joe Berger u. a. Wien 1978 (= Freibord 3/1978, Nr. 13/14). - In memoriam Hermann Schürrer. ORF, Ö1, 27.11.1987. - Menasse, Robert: Der Typus des "Außenseiters" im Literaturbetrieb (Am Beispiel Hermann Schürrer). Studie zum eigentümlichen Verhältnis von offiziösem Literaturbetrieb und literarischem "underground" im Österreich der Zweiten Republik. Diss. Univ. Wien 1980. - Millecker, Christian: Studien zu Hermann Schürrer. Dipl.-Arb. Univ. Wien 1992. - n. n.: Kosmisches Loch. Hermann Schürrer: "Europa: Die Toten haben nichts zu lachen". In: Der Spiegel, Nr. 36, 30.8.1971, 131. - Schindel, Robert: Nichts erinnert an Schürrer (1987). In: Petra Nachbaur und Sigurd Paul Scheichl (Hg.): Literatur über Literatur. Eine österreichische Anthologie. Graz 1995, 206. - Sommer, Robert: Notizen zur Ohrfeige. Darf man Machtausübende schlagen? In: Augustin 5/2006, Nr. 181. - Wiplinger, Peter Paul: Schürrer Hermann. In: ders.: Schriftstellerbegegnungen 1960-2010. Klagenfurt, Wien 2010, 258-261.
Stand: 1.12.2015