Der Roman beschreibt die Welt aus der Perspektive des kleinen Mädchens Meta und knüpft damit an Marlen Haushofers frühe Erzählung Das fünfte Jahr (1952) an. Himmel, der nirgendwo endet ist Haushofers Bruder Rudolf gewidmet und unverkennbar ein Stück Autobiografie: Das Leben im väterlichen Forsthaus im Effertsbachtal am Fuße des oberösterreichischen Sengsengebirges (Gemeinde Molln), die dominante, katholisch-bigotte Mutter, die in ihrem Dienst am Haushalt das abschreckende Beispiel eines "Pflichtmenschen" darstellt, der nachsichtige, aber jähzornige Vater, der Geschichten vom Feldzug in Russland erzählt, der kleine Bruder, der Meta von ihrem Platz im Zentrum der mütterlichen Aufmerksamkeit verdrängt, all das sind Facetten der Familie Frauendorfer.
Haushofer ergreift in diesem Buch die Partei der Kinder gegen die Erwachsenen, gegen ihr Abgestumpftsein und ihre schwer verständlichen Regeln; durch die heiteren Seiten des Kindseins hindurch werden Konflikte und tiefenpsychologische Wahrheiten sichtbar. Der Roman zeigt das Abenteuer der Weltaneignung und wie sich die Lust, die Dinge zu begreifen und sich einzuverleiben, in die Lust verwandelt, schreibend Macht über sie zu gewinnen. Haushofer erzählt von häuslichen Verhältnissen im ländlichen Milieu der 1920er Jahre, vom Nervenkrieg mit der Mutter und der vertrauten Zweisamkeit mit dem Vater, von ersten Leseerlebnissen und vom geliebten Hund Schlankl, mit dem es ein böses Ende nimmt, von sommerlichen Verwandtenbesuchen, von Identifikationsfiguren und Schreckensgestalten und von der großen Zäsur, die der Auszug aus dem Forsthaus und der Eintritt ins katholische Internat der nahen Stadt für die Zehnjährige bedeuten.
Gleich nach dem Abschluss ihres großen Romans Die Wand (1963) machte sich Haushofer an die Konzeption des Kindheitsbuches, dessen erste Fassung den Titel "Das Haus" trug. Ihr Freund und Mentor Hans Weigel (1908-1991) hatte ihr zu diesem Thema geraten, sie schrieb ihm: "Du hast ganz recht; ich muß wieder ganz von vorne anfangen, bei den Kindern, denn wollte ich in der Richtung Wand weiterschreiben kämen die Toten an die Reihe." (zit. nach Strigl 2007, 272) Der Schauplatz beider Romane verdankt sich dem realen Vorbild der Gegend um den Wallfahrtsort Frauenstein.
Am Beginn von Himmel, der nirgendwo endet steht die früheste Erinnerung der kleinen Meta/Marlen: "Das kleine Mädchen, von den Großen Meta genannt, sitzt auf dem Grund des alten Regenfasses und schaut in den Himmel." (7) Die Welt erscheint aus dem Blickwinkel eines zweieinhalbjährigen Kindes, das den Erwachsenen bei der Heuernte im Weg war. Der Rand des Fasses, über den es nicht hinaussieht, bildet nun die Grenzen seiner Welt, die es mit allen Sinnen erkundet. Mit dem grenzenlosen Himmel, jener "tiefblaue[n] Gasse" (8), die sich der kleinen Meta eröffnet, ist auch der Himmel der Kindheit gemeint, der gerade in Haushofers Werk auf eindringliche Weise gegenwärtig bleibt, weshalb diese Geschichte folgerichtig im Präsens erzählt wird. In ihrer Einfachheit erweist sich die gewählte Erzählhaltung als raffiniert: Der Blickwinkel und der Horizont des Wissens wachsen mit der kleinen Heldin mit. Der schlichte Stil und der kindliche Wortschatz täuschen Einfalt vor, der scheinbar naive Ton eignet sich gut für eine listige Kritik an den Erwachsenen. Das kindliche Staunen zieht die angeblich so vernünftige Welt von Grund auf in Zweifel, der Roman wird so zu einer Schöpfungsgeschichte mit Fragezeichen. Einmal imaginiert die Protagonistin gar, wie es wäre, nicht auf der Welt zu sein - eine Autosuggestion, die nicht lange anhält: "Sie ist wieder da und den anstürmenden Geräuschen, Gerüchen und Bildern ausgeliefert. Dieses Sich-nicht-wehren-Können ist das Leben. [...] Sie ist nicht dankbar. Sie lebt, und da kann man gar nichts machen." (47f.)
So ist Himmel, der nirgendwo endet, wie auch die zeitgenössische Kritik einhellig anerkannte, frei von Sentimentalität und idyllischer Färbung. Gleichwohl stellt der Roman als trotziges Bekenntnis zum verschütteten Kindsein ein Schlüsselwerk in Haushofers Literatur dar, in der die Heldinnen nicht zuletzt mit einschlägiger archäologischer Arbeit beschäftigt sind.
Daniela Strigl
Haushofer, Marlen: Himmel, der nirgendwo endet. Hildesheim 1992.
Auer, Elisabeth: "Das Fleckchen Himmel, eine tiefblaue Gasse, die nirgendwo endet." Aspekte der Existenz in Marlen Haushofers Texten. Stockholm 2002. - [A., W.:] Himmel, der nirgendwo endet. In: Volksblatt, 6.8.1966. - Keckeis, J.: Namen gab er allen Lebewesen. Ein Roman Marlen Haushofers zwischen Autobiographie und Fiktion. In: Zürichsee-Zeitung, 18.7.1969. - Schmidjell-Hoffmann, Christine: "'Meine Mutter, die mich schlacht, mein Vater, der mich aß ...' Und hastig rollt Meta im Traum den Schutt über die üble Stätte, bis man sie nicht mehr sehen kann." Die elterliche Zer-/Verstörungsarbeit in Himmel, der nirgendwo endet von Marlen Haushofer. In: Sylvia Wallinger und Monika Jonas (Hg.): Der Widerspenstigen Zähmung. Studien zur bezwungenen Weiblichkeit in der Literatur vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Innsbruck 1986, 295-309. - Seibert, Ernst: Kindheitsmuster in der österreichischen Gegenwartsliteratur. Zur Genealogie von Kindheit. Ein mentalitätsgeschichtlicher Diskurs im Umfeld von Kindheits- und Kinderliteratur. Frankfurt/Main u. a. 2005. - Strigl, Daniela: "Wahrscheinlich bin ich verrückt ...". Marlen Haushofer - die Biographie. Berlin 2007.