Über den Arzt Jakob ben Jechiel Loans sind nur wenige Fakten bekannt. Das Datum seiner Geburt ist ungewiss. Der Name Loans stammt von Louhans in der Franche-Comté (Freigrafschaft Burgund), von wo die Familie Anfang des 15. Jh. vertrieben worden ist. Erwähnt wird Jacob ben Jechiel Loans hauptsächlich im Zusammenhang mit Johannes Reuchlin, dessen Hebräischlehrer er war, und als Leibarzt Kaiser Friedrichs III. (1415-1493), der ihn für seine langjährigen Dienste in den Ritterstand erhob. Auch soll er noch für Friedrichs Sohn und Nachfolger Maximilian I. als Arzt tätig gewesen sein. Seine sonstigen Lebensumstände liegen noch immer in historiografischem Halbdunkel und verborgen hinter legendenhafter Umschleierung. Was sich aber sagen lässt, ist gewiss genug, um ihn als interessante Humanistenpersönlichkeit wahrzunehmen, über die es sich weiterzuforschen lohnt.
Als Reuchlin nach seiner zweiten Italienreise 1492 an den kaiserlichen Hof in Linz kam, fand er in Loans einen ernst zu nehmenden Hebräischlehrer, bei dem er seine schon früher begonnenen Sprachstudien fortsetzte. Heinrich Graetz, der Jakob Loans im übrigen - und ohne dies zu begründen - für keinen allzu bedeutenden Meister der hebräischen Grammatik hält, schildert die Begegnung folgendermaßen: "Auf Loans' Anregung schenkte der greise Kaiser kurz vor seinem Tode dem lernbegierigen, sprachgewandten Mann [Reuchlin], an dem er seine Freude hatte, eine kostbare hebräische Bibel, welche auf mehr als 300 Dukaten geschätzt wurde. Ein herzliches Verhältnis bestand seitdem zwischen dem jüdischen Lehrer Loans und dem christlichen Jünger. Reuchlin nannte ihn ‚seinen Freund‘. An dem kaiserlichen Hofe hatte Reuchlin Gelegenheit, auch mit anderen gebildeten Juden zu verkehren." (Graetz 1907, 79) Reuchlin bewahrte Loans sein Leben lang ein gutes Andenken als Lehrer und Mensch und verewigte ihn, gemäß Ludwig Geiger (1871, 105f.), höchstwahrscheinlich in der Figur des jüdischen Gelehrten Simon in seinem Werk De verbo mirifico (1494).
1492 war nicht nur das Jahr der "Entdeckung" Amerikas, sondern auch das der Vertreibung aller Mauren und Juden aus Spanien. "Die deutsche Bevölkerung war damals nicht weniger feindselig gegen die Juden als die spanische. [...] Aus einigen Gegenden Deutschlands waren sie bereits verjagt [...]. Aus anderen Gegenden wurden sie fast gleichzeitig mit denen aus der pyrenäischen Halbinsel vertrieben." (Graetz 1907, 44f.) Umso ausnehmender erscheint vor diesem Hintergrund das Verhalten des Kaisers: "Der Kaiser Friedrich III. nahm sich zwar bis in seine letzte Stunde der von aller Welt Geächteten an. Er hatte einen jüdischen Leibarzt - gewiß eine Seltenheit in Deutschland - den gelehrten Jakob ben Jechiel Loans, dem er viele Gunst zugewendet und den er zum Ritter ernannt hat. Dieser pflegte den greisen Kaiser in seiner Hofhaltung zu Linz bis zur Sterbestunde. Auf seinem Totenbette soll Friedrich seinem Sohne [Maximilian I.] die Juden warm empfohlen haben, sie zu beschützen und den verleumderischen Anklagen gegen sie, deren Grundlosigkeit er sattsam erfahren hatte, kein Ohr zu leihen. Ihm imponierte der Fortbestand der Judenheit unter den tausendfachen Verfolgungen seit der Herrschaft des Christentums, und daß diese wunderbare Erhaltung in Moses Gesetzbuch vorausverkündet worden sei: ‚Und selbst [...] im Lande ihrer Feinde verwerfe ich sie nicht, werde vielmehr des Bündnisses mit den Vorfahren eingedenk sein.‘ [...] Wie es scheint, stand Jakob Loans auch beim Kaiser Maximilian in Gunst, dem es zugefallen war, Deutschland in den allerschwierigsten Lagen zu regieren. Diese Gunst hat der Kaiser auf dessen Verwandten übertragen." (ebd., 45)
Mit diesem Verwandten ist der berühmtere Joseph Loans (1478-1554) gemeint, besser bekannt unter dem Namen Joselin oder Josselmann von Rosheim: "Diesen Joselin, welcher von diesem Aufenthalt seiner Eltern Roßheim (Roschheim) genannt wurde, ernannte Kaiser Maximilian auf Eingebung des Leibarztes Jakob Loans zum Großrabbiner (obersten Rabbi) der jüdischen Gemeinden in Deutschland." (ebd., 47) Als solcher wirkte er als Fürsprecher der Juden, die er auch gegen Luthers Anklagen verteidigte (vgl. ebd., 291).
Armin Eidherr
Geiger, Ludwig: Johann Reuchlin, sein Leben und seine Werke. Berlin 1871. - Graetz, Heinrich: Geschichte der Juden, Bd. 9 (Von der Verbannung der Juden aus Spanien und Portugal [1494] bis zur dauernden Ansiedlung der Marranen in Holland [1618]). 4. Aufl. Leipzig 1907. - Johann Reuchlins Briefwechsel. Hg. von Ludwig Geiger. Tübingen 1875 (Nachdruck: Hildesheim 1962). - Rachum, Ilan: Enzyklopädie der Renaissance. Zürich o. J. - Reuchlin, Johannes: De verbo mirifico (1494). - Ders.: De rudimentis hebraicis (1506). - Schiffmann, Konrad: Johannes Reuchlin in Linz. Ein Bild aus der Vergangenheit der Stadt. 2. Aufl. Linz 1929.