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Marianne Jungmaier

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Geb. 19.9.1985 in Linz.
Die Vertreterin der jüngsten oberösterreichischen AutorInnengeneration lebt in Berlin "und anderswo".

Marianne Jungmaier studierte Journalismus an der Donau-Universität Krems und Digitales Fernsehen sowie Filmwissenschaften in Salzburg und Wien. 2009/10 absolvierte sie die von Gustav Ernst und Karin Fleischanderl geleitete Literaturakademie Leonding. Nach freiberuflichen Tätigkeiten u. a. als Cutterin, Redakteurin, Übersetzerin und Lektorin lebt sie seit 2011 als freie Autorin in Berlin "und anderswo", wie der Klappentext zu ihrem Debutroman Das Tortenprotokoll mit Blick auf ihre umfangreiche Reisetätigkeit angibt. Sie ist Mitglied der IG AutorInnen und der Grazer Autorinnen Autorenversammlug (GAV).

Literarisch trat Jungmaier ab 2007 erstmals mit Kurzprosa in Anthologien, Festschriften und Zeitschriften (u. a. in Die Rampe) in Erscheinung. Aus dem Selbstverständnis ihrer künstlerischen Arbeit, die neben Literatur auch Fotografie und Collagen einbezieht, ergibt sich die intermediale Anlage ihres ersten eigenen Prosabandes, Die Farbe des Herbstholzes (2012). Ein "vielsagender Sound" (Meindl 2012) durchzieht die hier versammelten Prosaminiaturen, deren textliche Reflexion über Alltäglichkeiten, Schreiben und Beziehungen mit beigefügten Schwarz-Weiß-Fotografien zu einem sinnlichen, bibliophilen Miteinander zusammenfließt. Gattungsübergreifend zwischen Gedicht und Song platzieren sich die Lyrik-Collagen harlots im herzen (2014), ihre zweite eigene Veröffentlichung.

Die Betonung des Sinnlichen in Jungmaiers Kurzprosa ist in ihrem Romandebut Das Tortenprotokoll (2015) ein literarischer Kontrapunkt. Die junge Erzählerin Friederike kehrt zum Begräbnis ihrer Großmutter in das heimatliche Dorf zurück und beginnt im Verlauf der Geschichte eine so schmerzliche wie vielschichtige Erinnerungsarbeit. Die Süße der von der Großmutter unermüdlich bereiteten Mehlspeisen und Torten ist hier das Surrogat für echte Gefühle in einer lieb- und sprachlosen Familie, aus der die Erzählerin in die Ferne geflüchtet ist. Im nachgelassenen "Tortenprotokoll" ihrer Großmutter, das all jene die Leere bedeckenden Backrezepte verzeichnet, findet Friederike schließlich Hinweise auf ein gänzlich anderes Leben der Verstorbenen. Sie spürt diesem nach, und die Erzählung ergibt schließlich ihrerseits ein Erinnerungs- und Erfahrungsprotokoll, das Friederike ermöglicht, einen Schlussstrich unter ihre eigene Geschichte an diesem Ort und in dieser Familie zu ziehen. "Doch jetzt ist sie tot, die alles zusammengehalten hat mit ihren Torten, mit ihr ist das System zusammengefallen wie Eischnee" (Jungmaier 2015, 170), stellt die Erzählerin fest. Geschickt spielt Jungmaier in ihrem Debut mit der letztlich scheinbaren Parallele einer sich generationenübergreifend wiederholenden Liebeshandlung ebenso wie mit den Topoi der österreichischen Familien- und Heimkehrererzählungen und verbindet einfache literarische Formen mit einer reichhaltigen, detailmächtigen Sprache (vgl. Peer 2015).

Für ihre Arbeit und umfangreiche literarische Reisetätigkeit erhielt Marianne Jungmaier zahlreiche Stipendien des Bundes sowie des Landes Oberösterreich und den George-Saiko-Preis 2016.

Martin Vejvar

 

Die Farbe des Herbstholzes. Wels 2012. - harlots im herzen. Wien 2014. - Das Tortenprotokoll. Wien 2015. - Sommernomaden. Stories. Wien 2016.

Ebner, Klaus: Sinnliches in Wort und Bild. In: schreibkraft. Das Feuilletonmagazin 24/2013. - Harter, Sonja: "Das Tortenprotokoll". Süßspeisen und blumige Liebesbriefe. In: Kleine Zeitung, 18.8.2015. - Meindl, Dominika: Marianne Jungmaier: Die Farbe des Herbstholzes. In: Kulturbericht Oberösterreich. Monatsschrift der Oö. Kultur 66 (2012), H. 8, 14. - Peer, Alexander: Marianne Jungmaier: Das Tortenprotokoll. In: Buchmagazin des Literaturhauses Wien, 1.9.2015.