Haushofer, mit dem Taufnamen Maria Helene, wuchs als Tochter des Försterehepaars Heinrich und Maria Frauendorfer am Fuße des Sengsengebirges auf. Ihre Kindheit im Forsthaus im Effertsbachtal bei Frauenstein wurde als prägende Lebensphase, von der Grunderfahrung des Verlusts bis in biografisch verbürgte Details, für ihr gesamtes Werk bedeutsam. Nach einer Zeit der Naturnähe und relativen Freiheit - dem strengen Regiment der Mutter zum Trotz - erlebte die 10-Jährige den Eintritt ins Internat der Ursulinen in Linz zunächst als Schock. Haushofer verlor wegen einer TBC-Infektion ein Jahr und maturierte 1939 im bereits gleichgeschalteten NS-Schulsystem. Gleich danach absolvierte sie den Reichsarbeitsdienst in Ostpreußen. Dort lernte sie den Vater ihres ersten Kindes kennen, einen deutschen Medizinstudenten, der sein Studium in Wien fortsetzte, wo sie ab Jänner 1940 Germanistik und Kunstgeschichte studierte. Die Beziehung ging noch während der Schwangerschaft in die Brüche, Haushofer brachte ihren Sohn heimlich in Bayern zur Welt, wo er bei der Mutter einer Freundin aufwuchs. Davor noch war sie in Wien dem aus Graz stammenden Medizinstudenten Manfred Haushofer begegnet, der, unbeirrt durch ihren "Fehltritt", um ihre Hand anhielt. 1941 heirateten die beiden in Frauenstein, 1943 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Die Eltern übersiedelten nach Graz, wo Haushofer ihr Studium zunächst fortsetzte. Erst nach Kriegsende holten sie den Erstgeborenen zu sich.
Nach dem Abbruch von Dissertation und Studium schrieb Haushofer Erzählungen und bot sie Zeitungen an. 1946 erschien ihre Geschichte Die blutigen Tränen im Linzer Volksblatt, vermutlich Haushofers erste Publikation. 1947 folgte die Familie Manfred Haushofer nach Steyr, wo dieser eine Stelle als Leiter eines Zahnambulatoriums gefunden hatte.
Haushofer unternahm regelmäßige Fahrten nach Wien, wo sie Anschluss an die literarische Szene suchte. Sie gehörte zunächst dem Kreis um Hermann Hakel (1911-1987) und seine Zeitschrift Lynkeus an, wechselte dann aber, wie auch Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger und Hertha Kräftner, zu Hans Weigels (1908-1991) Runde im Café Raimund. Im Jahr 1950 ließ Haushofer sich auf ihren Wunsch von ihrem Mann scheiden - die Affären des nunmehr niedergelassenen Zahnarztes waren in Steyr stadtbekannt. Das Ehepaar trennte sich jedoch nicht, Marlen Haushofer führte weiterhin den Haushalt, man hielt die Scheidung geheim, auch vor den Söhnen.
Ihre beiden ersten Romane veröffentlichte Haushofer auf Anraten Hans Weigels nicht, sie sind verschollen. 1952 publizierte sie die lange Erzählung Das fünfte Jahr, eine Geschichte aus der Sicht einer Fünfjährigen, und wurde dafür prompt mit dem sogenannten Kleinen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. 1955 erschien der Roman Eine Handvoll Leben bei Zsolnay: Eine Frau kehrt in ihre Heimatstadt zurück und besichtigt dort jenes Leben, aus dem sie zwanzig Jahre zuvor, einen Selbstmord vortäuschend, ausgebrochen ist. In einer Rückblende zeigt Haushofer den schmerzhaften Prozess des Erwachsenwerdens in der Klosterschule, die Sehnsucht der Heldin Elisabeth nach einer Familie und die folgende Ernüchterung, das Gefühl, ein Fremdkörper innerhalb der sozialen Ordnung zu sein. Elisabeth geht ein Verhältnis mit einem Geschäftsfreund ihres Mannes ein und stiehlt sich dann davon, ihren kleinen Sohn zurücklassend. Im Rückblick sieht sie - eine Verkörperung von Albert Camus' "absurdem Menschen" - jede ihrer Optionen zum Scheitern verurteilt. Haushofers Romandebüt fand ein beachtliches und überwiegend positives Echo.
In ihrem 1957 publizierten Roman Die Tapetentür lässt Haushofer ihre Protagonistin gleichsam den umgekehrten Weg beschreiten: von der Existenz einer emanzipierten Frau in die Abhängigkeit einer Leidenschaft. Haushofer führt, zum Teil in Form von Tagebuchnotizen, die stufenweise Selbstdemontage der Bibliothekarin Annette in ihrer Liebe zum Macho Gregor vor, der seine junge, schwangere Frau schon in den ersten Monaten ihrer Ehe betrügt. Annette lehnt das Kind, das sie erwartet, als einen unumkehrbaren Schritt in die Unfreiheit halb bewusst, halb unbewusst ab und verliert es folgerichtig bei der Geburt. Sie verliert auch Gregor, Haushofer lässt den Schluss als Ausgangspunkt für eine mögliche Genesung offen.
1958 heiratete Haushofer ihren (Ex-)Mann ein zweites Mal, nachdem eine Beziehung mit dem Wiener Schriftsteller Reinhard Federmann (1923-1976) gescheitert war. Im selben Jahr kam die Novelle Wir töten Stella im Bergland-Verlag heraus, in der die Familie als tödliche Falle funktioniert: Die Titelheldin, ein junges Mädchen, ist zu Gast bei der Familie eines Anwalts, der sie verführt, schwängert und schließlich in den Selbstmord treibt. Erzählt wird die Geschichte von dessen Frau, die dem Treiben untätig zuschaut, um den häuslichen Frieden zu wahren und ihren Sohn zu schützen, und die so mitschuldig am Tod Stellas wird: Haushofers Opfer sind selten ohne Makel. Die beklemmende Beschreibung einer klaustrophobischen Kleinstadt-Situation gilt auch der trügerischen Glätte des Neuanfangs nach Krieg und Nazidiktatur. Haushofer sah sich als Spezialistin für den doppelten Boden der ehrenwerten Gesellschaft: "gerade diese Mischung von Dämonie u. Idylle [...] bereitet mir das größte Unbehagen und fasziniert mich zugleich." (zit. nach Strigl 2000, 179).
Nach Jahren in beengten Wohnverhältnissen bezog die Familie Haushofer 1960 den ersten Stock eines Hauses mit Garten. Hier machte Haushofer sich an die Niederschrift des Romans Die Wand, in dem sie einmal mehr auf die Szenerie ihrer Kindheitswelt im Effertsbachtal zurückgriff. Die Geschichte einer Frau, die sich nach einer rätselhaften Katastrophe durch eine durchsichtige Wand von der Zivilisation getrennt sieht und sich im Wald allein, mit Kuh, Katze und Hund, durchschlagen muss, polarisierte bei ihrem Erscheinen 1963 im Mohn-Verlag die Kritik. Haushofers Mentor Hans Weigel verglich das Buch mit Albert Camus' Die Pest und Daniel Defoes Robinson Crusoe, man bemängelte aber auch das Fehlen einer religiösen Perspektive und die Leichtigkeit, mit der die Ich-Erzählerin sich schließlich mit dem Verschwinden ihrer Mitmenschen abfindet.
Ein Jahr nach der Wand erschien das erste von insgesamt fünf Kinderbüchern: Bartls Abenteuer. Ein Katzenbuch, gefolgt von Brav sein ist schwer (1965), das bald zu einem österreichischen Kinderbuchklassiker wurde. In den Buben Fredi und Buz, die von ihren Eltern in den Sommerferien zu den Großeltern aufs Land geschickt werden, porträtierte Haushofer ihre Söhne, im strengen, aber gütigen Großvater ihren Vater. Die mit einigem Witz aus der Perspektive Fredis, des Älteren, erzählte Geschichte tradiert einerseits das für die 1960er Jahre typische Idealbild vom "braven Kind", spielt aber andererseits die autoritären Erziehungsmethoden der Eltern gegen die natürliche Autorität des Großvaters aus und unterläuft in den Cousinen Micky und Lise geschlechterspezifische Rollenklischees.
Haushofer blieb mit dem Roman Himmel, der nirgendwo endet (1966) der Sphäre der Kindheit treu: Er beschreibt die Welt aus der Perspektive des kleinen Mädchens Meta, knüpft also an die frühe Erzählung Das fünfte Jahr an. Himmel, der nirgendwo endet ist Haushofers Bruder Rudolf gewidmet und unverkennbar ein Stück Autobiografie: Das Leben im Forsthaus, die dominante, katholisch-bigotte Mutter, die in ihrem Dienst am Haushalt das abschreckende Beispiel eines "Pflichtmenschen" darstellt, der nachsichtige, aber jähzornige Vater, der Geschichten vom Feldzug in Russland erzählt, der kleine Bruder, der Meta von ihrem Platz im Zentrum der mütterlichen Aufmerksamkeit verdrängt, all das sind Facetten der Familie Frauendorfer. Haushofer ergreift in diesem Buch die Partei der Kinder gegen die Erwachsenen, gegen ihr Abgestumpftsein und ihre schwer verständlichen Regeln; durch die heiteren Seiten des Kindseins hindurch werden Konflikte und tiefenpsychologische Wahrheiten sichtbar. Der Roman zeigt das Abenteuer der Weltaneignung und wie sich die Lust, die Dinge zu begreifen und sich einzuverleiben, in die Lust verwandelt, schreibend Macht über sie zu gewinnen.
Nach der positiven Reaktion der Kritik auf Himmel, der nirgendwo endet wechselte Haushofer abermals den Verlag - Sigbert Mohn hatte den Publikationstermin des geplanten Erzählbands verschoben. Das Buch erschien dann 1968 unter dem Titel Schreckliche Treue bei Claassen und fand größere Resonanz als der Kindheitsroman. Der Autorin wurde dafür zum zweiten Mal der Kleine Österreichische Staatspreis zuerkannt. In diesen Erzählungen - Haushofer schrieb kontinuierlich kürzere Geschichten, einige aber bloß zur schnellen Verwertung in Zeitschriften - erreichte ihre Kunst, in der Banalität und den Übereinkünften des Alltags die Abgründigkeit des Daseins mit unsentimentaler Lakonik bloßzulegen, einen Höhepunkt. Ende 1968 wurde bei Haushofer ein fortgeschrittener Knochenkrebs im Hüftgelenk diagnostiziert. Sie unterzog sich einer Therapie an einer Wiener Klinik, eine Operation hatte man als aussichtslos abgebrochen.
Bereits schwer krank arbeitete Haushofer an der Fertigstellung ihres letzten Romans, für dessen Niederschrift sie nur neun Monate brauchte. Die Mansarde erschien 1969 und stieß auf geteilte Reaktionen. In diesem Roman hat Haushofer ihre eigenen Lebensumstände so unverdeckt nachgedichtet wie nirgendwo sonst: Die Ich-Erzählerin ist eine Hausfrau und Mutter, der die künstlerische Begabung, ihr Zeichentalent, zum Lebens-Mittel wird. Die Mansarde bildet den virtuellen Raum des bürgerlichen Hauses, dessen vier Wände nur die Zuflucht nach oben erlauben. Zugleich lässt sich Die Mansarde als eine Art Fortsetzung der Novelle Wir töten Stella lesen: Haushofer erzählt die Geschichte einer Ehe, die vor Jahren durch einen Verrat des Mannes, eines Anwalts, an seiner plötzlich taub gewordenen Frau ihr Fundament verloren hat und nur noch ihre Fassade pflegt. Der Fluchtversuch der Erzählerin in die Taubheit (gegen die Anforderungen einer bürgerlichen Umwelt) ist gescheitert und war mit der unfreiwilligen Trennung von ihrem kleinen Sohn verbunden, ein Thema, mit dem Haushofer sich obsessiv befasste. In ihrem letzten Roman verbindet sie unerbittlichen Scharfblick und satirischen Witz mit einer resignativen Nachsicht, vor allem gegenüber dem männlichen Widerpart. Der Schluss - der Protagonistin gelingt die Zeichnung eines Drachens - eröffnet hier einen utopischen Raum ohne Happy End.
Haushofer starb knapp vor ihrem 50. Geburtstag, nach einer weiteren missglückten Operation, in einem Wiener Spital. Ihr letztes Werk war ein Kinderbuch: Schlimmsein ist auch kein Vergnügen wurde posthum veröffentlicht. Nicht nur der Große Österreichische Staatspreis blieb Haushofer zeitlebens versagt, sie erhielt auch keinen Preis des Landes Oberösterreich. Die Germanistik hat die irritierende Radikalität ihres Werks lange verkannt und sich, wie ein Teil der Kritik, von der Konventionalität der Darstellung wie des Dargestellten irreleiten lassen. Hinter der schlichten Sprache, dem handfesten Realismus und dem Hausfrauensujet entdeckte die Frauenbewegung der 1980er Jahre die gesellschaftskritische Sprengkraft von Haushofers Prosa, stieß sich allerdings ihrerseits an deren heillosem Pessimismus - ähnlich wie, vom christlichen Standpunkt, viele Zeitgenossen ihre transzendentale Hoffnungslosigkeit getadelt hatten. Als halbversteckte Figur des literarischen Lebens, als Schriftstellerin am Küchentisch das Gegenbild zur Selbstinszenierung einer Ingeborg Bachmann, hat Haushofer die gesellschaftlichen Widersprüche der ersten Nachkriegsjahrzehnte wie auch die Widersprüche der eigenen Existenz zwischen Provinz und Hauptstadt, Zahnarztgattin und Künstlerin für ihr Werk produktiv gemacht.
Daniela Strigl
Eine Handvoll Leben. Roman [1955]. München 1991. - Die Tapetentür. Roman [1957]. München 1991. - Wir töten Stella [1958] / Das fünfte Jahr [1952]. München 2003. - Die Wand. Roman [1963]. München 1998. - Bartls Abenteuer [1964]. München 2002. - Brav sein ist schwer [1965]. / Schlimm sein ist auch kein Vergnügen [1970]. Wien 2003. - Himmel, der nirgendwo endet. Roman [1966]. Hildesheim 1992. - Schreckliche Treue. Erzählungen [1968]. Hildesheim 1992. - Die Mansarde. Roman [1969]. Hamburg, Düsseldorf 1984. - Begegnung mit dem Fremden. Gesammelte Erzählungen. Düsseldorf 1985.
Bosse, Anke; Ruthner, Clemens (Hg.): "Eine geheime Schrift aus diesem Splitterwerk enträtseln..." Marlen Haushofers Werk im Kontext. Tübingen, Basel 2000. - Brüns, Elke: Außenstehend, ungelenk, kopfüber weiblich: psychosexuelle Autorpositionen bei Marlen Haushofer, Marieluise Fleißer und Ingeborg Bachmann. Stuttgart 1998. - Duden, Anne u. a. (Hg.): "Oder war da manchmal noch etwas anderes?" Texte zu Marlen Haushofer. Frankfurt/Main 1986. - Hoffmann (Schmidjell), Christine: Die Verrücktheit einer Generation. Schreibweisen von "Jungen Autorinnen" nach 1945 in den Romanen Marlen Haushofers. Phil. Diss. Universität Wien 1988. - "Ich möchte wissen, wo ich hingekommen bin!" Marlen Haushofer 1920-1970 (Katalog zur Ausstellung im StifterHaus). Hg. von Christa Gürtler. Linz 2010. - Lorenz, Dagmar C. G.: Biographie und Chiffre. Entwicklungsmöglichkeiten in der österreichischen Prosa nach 1945, dargestellt an den Beispielen Marlen Haushofer und Ilse Aichinger. Phil. Diss. Universität Cincinatti 1974. - Schmidjell, Christine: Marlen Haushofer 1920-1970. Ausstellungskatalog, Wien, Linz 1990. - Strigl, Daniela: Marlen Haushofer. Die Biographie. München 2000 (erw. Neuaufl.: "Wahrscheinlich bin ich verrückt ...". Marlen Haushofer - die Biographie. Berlin 2007).