Johann Michael Kosmas Peter Denis wurde im damals noch zu Bayern gehörenden Schärding als fünftes Kind eines Beamten und Ökonomen geboren. Fünf Jahre später übersiedelte die Familie nach Haidenburg bei Vilshofen in Niederbayern. Denis besuchte das Jesuitengymnasium in Passau, wurde 1747 in Wien ins Noviziat aufgenommen und begann 1750 seine Lehrtätigkeit am Jesuitenkollegium in Graz und Klagenfurt, 1756 erfolgte nach dem Theologiestudium die Priesterweihe. Mit der Versetzung 1759 an das Theresianum in Wien, eine Eliteschule des Adels, wo er zwei Jahre später eine Professur für Rhetorik und schöne Wissenschaften übernahm, blieb die Residenzstadt fortan sein Lebensmittelpunkt. Nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773, die Denis zeitlebens nicht verwinden konnte, wurde er mit der Aufsicht über die Garellische Bibliothek am Theresianum betraut. Mit der Eröffnung von Kollegien über Bücherkunde und Literaturgeschichte bahnte Denis 1774 diese Studien auch in Österreich an. Als Joseph II. 1784 das Theresianum aufhob, wurde Denis zum zweiten Kustos und 1791 mit der Verleihung des Hofratstitels zum ersten Kustos an der Hofbibliothek ernannt. Denis liegt in Hütteldorf begraben.
Als Michael Denis die Laufbahn des Dichters mit neulateinischen Schuldramen und Epen einschlug, war er zunächst noch von den Traditionen der barocken jesuitischen Ordenspraxis im theresianischen Wien geprägt. Bald wandte er sich den neueren literarischen Strömungen seiner Zeit zu, allerdings mit durchwegs konservativen Tendenzen. Als erster österreichischer Dichter trug Denis maßgeblich zur Verringerung von Österreichs im Ausland viel belächeltem Rückstand gegenüber dem gebildeten Deutschland bei und förderte die Bestrebungen zur Erneuerung der deutschen Nationalliteratur. Diesen beiden Zielen, die bis heute zu seinen Hauptverdiensten zählen, waren unter anderem Denis‘ Sammlung kürzerer Gedichte aus den neueren Dichtern Deutschlands zum Gebrauche der Jugend und seine Mitgliedschaft bei der nach dem Vorbild Gottscheds 1761 gegründeten "Deutschen Gesellschaft" unter dem Vorsitz des späteren josephinischen Reformers Joseph von Sonnenfels verpflichtet. Nachhaltig förderte Denis die Verbreitung der zeitgenössischen deutschsprachigen Poesie in Österreich, besonders jene der Empfindsamkeit um Christian Fürchtegott Gellert, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Johann Peter Uz und Friedrich von Hagedorn. Zugleich baute er mit seinen patriotischen Kriegsliedern Poetische Bilder der meisten kriegerischen Vorgänge in Europa von 1756, die die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges aus der Perspektive der österreichisch-französischen Partei glorifizierten, einen österreichisch-habsburgischen Gegenmythos um Maria Theresia und ihre Feldherrn auf. Dieser war gegen den von Gleim, Karl Wilhelm Ramler, Christian Felix Weiße und anderen propagierten Preußenmythos um Friedrich II. gerichtet. Dem patriotischen Österreich-Mythos sind auch Denis‘ Gelegenheitsgedichte, insbesondere die Huldigungen an Maria Theresia und Joseph II., verpflichtet.
Denis' enorme Berühmtheit im gesamten deutschen Sprachraum gründete jedoch auf der ersten Übersetzung der "Lieder Ossians" in die deutsche Sprache (1768/69), die so wie seine eigenen Lieder Sineds des Barden (1772) in der deutschen Bardenlyrik auf großen Widerhall stieß. Sie zogen die Freundschaft mit Johann Gottlieb Klopstock, dem Begründer der in Deutschland als Nationaldichtung rasch wieder überholten Bardenpoesie, sowie vielfältige Briefkontakte mit Johann Jakob Bodmer, Gleim, Ramler, Johann Christoph Adelung, Friedrich Nicolai und anderen nach sich. Ossians angeblich schottische Urdichtung erwies sich allerdings als eine Fälschung von James Mcpherson (1736-1796). Der Neuerer Herder kritisierte Denis‘ Rückfall in die antike Metaphorik und seine Wahl des Hexameters als "Ossians" germanisch-celtischer Volkspoesie nicht angemessen sowie als Ausdruck eines poetisch rückwärtsgewandten Konservativismus.
Wie die meisten österreichischen Dichter war Denis, nicht zuletzt generationsbedingt, ein Gegner der jungen deutschen Bewegung des Sturm und Drang, fand aber ebenso wenig den Anschluss an die neue satirische josephinische Literatur um Aloys Blumauer, Lorenz Leopold Haschka oder Joseph Franz Ratschky. Von den geistlichen Liedern des Jesuiten Michael Denis sind das Adventlied Thauet Himmel, den Gerechten oder Hier liegt vor seiner Majestät, von Michael Haydn vertont, bis heute in Gebrauch. In seinen letzten Lebensjahren kehrte Denis mit (Helden-)Gedichten und Epigrammen zum Lateinischen zurück und widmete sich, von der Dichtung zunehmend enttäuscht, neben naturkundlichen wieder seinen früheren bibliothekarischen und bibliografischen Interessen, denen bereits früher kompilatorisch angelegte Grundrisse der Bibliographie oder Bücherkunde (1774) und der Literaturgeschichte (1776) zu verdanken waren.
Eduard Beutner
Poetische Bilder der meisten kriegerischen Vorgänge in Europa seit 1756. Wien 1761. - Sammlung kürzerer Gedichte aus den neueren Dichtern Deutschlands zum Gebrauche der Jugend, I-III. Wien 1762ff. - Die Gedichte Ossians, I-III. Wien 1768/69. - Die Lieder Sineds des Barden. Wien 1772. - Geistliche Lieder, zum Gebrauche der hohen Metropolitankirche St. Stephan in Wien und des ganzen Wienerischen Erzbisthums. Wien 1774. - Grundriß der Bibliographie oder Bücherkunde. Wien 1774. - Grundriß der Literaturgeschichte. Wien 1776. - Einleitung in die Bücherkunde, I-II. Wien 1777/78. - Deutschlands neuere Dichter. Leipzig 1778. - Ossians und Sineds Lieder, I-V. Wien 1784. - Wiens Buchdruckergeschichte von Anbeginn bis 1560. Wien 1793. - Lateinische Schuldramen aus der Zeit von 1751-1761. Gedruckt in: Carmina quaedam. Wien 1794. - Zurückerinnerungen. Wien 1794. - Denkmale der christlichen Glaubens- und Sittenlehre aus allen Jahrhunderten. Wien 1795. - Michael Denis‘ literarischer Nachlaß. Hg. von Josef von Retzer, I-II. Wien 1801/02. - Im schweigenden Tale des Mondes. Eingeleitet und ausgewählt von Arthur Fischer-Colbrie. Graz, Wien 1958 [Werkauswahl].
Adel, Kurt: Das Wiener Jesuitendrama und die europäische Barockdramatik. Wien 1960. - Bahr, Erhard: Ossian-Rezeption von Michael Denis bis Goethe: Ein Beitrag zur Geschichte des Primitivismus in Deutschland. In: Goethe Yearbook 12 (2004), 1-15. - Baumgarten, Amand: Michael Denis. Eine literaturgeschichtliche Biographie. In: Programm des kaiserl. königl. Akademischen Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1852. Linz 1852. - Birgfeld, Johannes: Kriegspoesie für Zeitungsleser oder Der Siebenjährige Krieg aus österreichischer Sicht. Michael Denis‘ Poetische Bilder der meisten kriegerischen Vorgänge in Europa seit dem Jahre 1757 im Kontext des zeitgenössischen literarischen Kriegsdiskurses. In: Der Siebenjährige Krieg in den zeitgenössischen Medien. Hg. von Wolfgang Adam u. a. Göttingen 2007, 215-239. - Herbeck, Gisela: Studien zur österreichischen Empfindsamkeit des 18. Jahrhunderts. Literarische und soziale Aspekte. Diss. Universität Wien 1980. - Hofmann-Wellenhof, Paul von: Michael Denis. Ein Beitrag zur deutsch-österreichischen Literaturgeschichte des XVIII. Jahrhunderts. Innsbruck 1881. - Keller, Fritz: Rhetorik in der Ordensschule. ‚Palatium Rhetoricae‘ von Michael Denis. In: Die österreichische Literatur, ihr Profil an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (1750-1830). Hg. von Herbert Zeman. Graz 1979, 55-83. - Kohlhäufl, Michael: Michael Denis. In: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon. Begr. und hg. von Friedrich Wilhelm Bautz. Fortgeführt von Traugott Bautz. Bd XVI. Nordhausen 1999, Spalten 371-376. - Schmidt, Wolf Gerhard: ‚Homer des Nordens‘ und ‚Mutter der Romantik‘. James Macphersons Ossian und seine Rezeption in der deutschsprachigen Literatur. Bd 1: James Macphersons Ossian, zeitgenössische Diskussion und ihre Frühphase der deutschen Rezeption. Berlin, New York 2003, 545-569. - Schmolze, Gerhard: Michael Denis. Barde und Abbé. Zur 250. Wiederkehr seines Geburtstages. In: Österreich in Geschichte und Literatur 24 (1980), 160-170. - Wimmer, Ruprecht: Michael Denis und seine Ossianübersetzung. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch im Auftrage der Görres-Gesellschaft 28 (1987), 27-47. - Wurzbach, Constant von (Hg.): Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 3. Wien 1858, 393-426.