Susanne Wallner wurde im nördlichen Mühlviertel geboren und wuchs nach der Übersiedlung ihrer Eltern nach Linz in der Landeshauptstadt auf. Ihre Mutter, Susanne Wallner, die mit dem Kaufmann Alois Wallner verehelicht war, soll schon bald das literarische Talent der Tochter erkannt und gefördert haben. Nach dem frühen Tod des Vaters lebte Wallner mit ihrer Mutter im Lüfteneggerhaus, heute Donaulände 18, in dem sie auch verstarb.
Wallner trat am 1. November 1893 mit ihrer ersten Publikation in der Linzer Tages-Post an die Öffentlichkeit. Der "Allerseelen" überschriebene Beitrag wurde unter dem Pseudonym Leonore Weisman veröffentlicht, das sie bis 1898 beibehielt. 1919 heiratete sie Hofrat Dr. Emil Kränzl, der neben seiner Tätigkeit als Vorstandsstellvertreter der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg als Musikkritiker für die Tages-Post wirkte. Wallner starb am 22. April 1944 und erhielt auf dem Linzer St. Barbara-Friedhof ein Ehrengrab.
Die Autorin schrieb für die Linzer Tages-Post,die Linzer Zeitung,die deutschnationale Monatsschrift Der Kyffhäuser und die Oesterreichische Volks-Zeitung, der sie bis zum Ende ihrer Tätigkeit als Feuilletonistin im Jahr 1922 treu bleib. Ihr feuilletonistisches Œuvre, das sich auf mehr als tausend Kurzprosastücke beläuft, umfasst Sagen, Märchen, Erzählungen und Skizzen. Darüber hinaus trat sie als Verfasserin von Dialektgedichten in Erscheinung. Wallners journalistische Tätigkeit war eng verwoben mit ihrem literarischen Werk, zu dem auch acht Bücher zählen. Als erste selbstständige Publikation legte sie 1898 die Novelle Die alte Stiege vor, die Anklänge an die naturalistische sowie symbolistische Ästhetik aufweist und u. a. Hermann Bahrs Würdigung fand. Mit den ebenfalls symbolistisch geprägten Hallstätter Märchen (Hallstatt) kehrte sie 1900 zu ihrer Leidenschaft, der kleinen Prosa, zurück. 1903 folgte ein Band mit dem Titel Erzählungen, deren ästhetische Bandbreite von der naturalistischen Milieustudie bis zur realistischen Dorfgeschichte reicht. Die Linzer Skizzen von 1904 versammeln heitere Heimaterzählungen, die sich durch die wohlwollende Darstellung der sogenannten kleinen Leute auszeichnen. Die 1908 in "Pohls allgemeiner Volksbücherei deutsch-österreichischer Schriftsteller" erschienenen Bunten Blätter weisen Wallner explizit als Volksschriftstellerin aus, die psychologische Charakterstudie mit subtiler Milieuanalyse zu verschränken weiß. Diesen Anspruch löst sie auch im Erzählband Gestalten aus Oberösterreich (1912) ein, wo das harte Dasein der Angehörigen des Bauern- und Arbeiterstandes, dem Wallners Protagonisten mehrheitlich entstammen, liebevoll gezeichnet wird. Der propagandistischen Kriegsliteratur lässt sich die Erzählsammlung Die Soldatenbraut (1915) zuordnen, in der die Autorin vaterländische Werte wie Tapferkeit, Treue, Kameradschaft, Familie und Heimat propagiert. Nationale Stereotypen und "chauvinistische Tendenzen" (Ebner, Ebner, Weißengruber 1991, 287) enthält auch Wallners letzte Buchveröffentlichung, der Erzählband Auf heimatlichem Boden. Ländliche Charakterbilder (1925), mit dem sie in die reaktionäre Idylle der Heimatliteratur abgleitet.
Die Heimatdichterin erfuhr bereits zu Lebzeiten vielfältige Anerkennung, was zur Aufnahme in diverse biografische Literaturlexika führte. 1931 widmete ihr Camillo Valerian Susan eine erste Kurzbiografie. Anlässlich der 50. Wiederkehr ihres Todestages wurden sogar "Anzeichen für ein neu erwachtes Interesse an der Wallner" (Rührnößl 1994, 24) geortet. Wallners Bedeutung für die oberösterreichische Literaturgeschichte liegt im Bereich der Heimat- und Regionalliteratur, die sie mit autobiografisch gefärbten Stimmungsbildern, Porträts volkstümlicher Figuren sowie Natur- und Landschaftsdarstellungen aus dem ländlichen Raum bereichert hat. Als späte Erbin der Romantik gelingt es ihr, "den Regungen der stummen Kreatur und der unbelebten Dinge zu lauschen" (Castle, Nagl, Zeidler 1937, 1169). Desgleichen besticht sie durch subtile Charakterstudien, in denen das Schicksal ‚einfacher‘, oft randständiger Menschen mit großer Empathie geschildert wird. Diese konsequente humanistische Perspektive darf trotz sporadischer nationalistischer Anflüge als das größte Verdienst ihres Schaffens betrachtet werden.
Walter Wagner
Die alte Stiege. Novelle. Leipzig 1898. - Hallstätter Märchen. Wien 1900. - Erzählungen. Linz u. a. 1903. - Linzer Skizzen. Linz 1904. - Bunte Blätter. Wien, Prachatitz, Leipzig 1908. - Gestalten aus Oberösterreich. Linz 1912. - Die Soldatenbraut und andere Kriegsnovellen. Leipzig 1915. - Auf heimatlichem Boden. Ländliche Charakterbilder. Wien o. J. [1925]. - Der Landbriefträger. Erzählungen. Hg. von Franz Rührnößl. Weitra 1994.
Castle, Eduard; Nagl, Johann Willibald; Zeidler, Jakob (Hg.): Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Literatur in Österreich-Ungarn. Bd. 4 (Von 1890 bis 1918). Wien 1937. - Ebner, Helga; Ebner, Jakob; Weißengruber, Rainer: Literatur in Linz. Eine Literaturgeschichte. Linz 1991. - Eichinger, Wilhelm: Zum Gedenken an die Dichterin Susi Wallner. In: Mühlviertler Heimatblätter 4 (1964), H. 5/6, 96-100. - Ders.: Susi Wallner und St. Leonhard. In: Mühlviertler Heimatblätter. Festnummer St. Leonhard bei Freistadt 8 (1968), H. 9/10, 172-176. - Kosch, Wilhelm: Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisches-bibliographisches Handbuch. 3. neu bearb. Aufl., Bd. 27 (Wagner - Walser). Zürich, München 2007. - Krackowizer, Ferdinand; Berger, Franz: Biographisches Lexikon des Landes Österreich ob der Enns. Gelehrte, Schriftsteller und Künstler Oberösterreichs seit 1800. Passau, Linz 1931. - Kutschera, Richard: Wir erinnern uns an Susi Wallner. In: Linzer Volksblatt, 2. März 1968, 9. - Maderno, Alfred: Die deutschösterreichische Dichtung der Gegenwart. Ein Handbuch für Literaturfreunde. Leipzig 1920. - Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, IV. Band (Knolz-Lan). Wien 1969. - Rührnößl, Franz: Susi Wallner in St. Leonhard bei Freistadt. In: Stelzhamerbund. Mitteilungen 109 (1994), 24. - Salzer, Anselm: Illustrierte Geschichte der Deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. 2. neu bearb. Aufl. Bd. 4 (Vom neuen "Sturm und Drang" bis zur Gegenwart. Erster Teil). Regensburg 1931. - Susan, Camillo Valerian: Susi Wallner. In: Der Volksbote 42 (1931), 146-158. - Wahl, Verena: Susi Wallner - Die oö. Publizistin als Reflexion von Presse, Politik und Sozialökonomie des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts. Dipl.-Arb. Univ. Wien 2003.