Nach dem Studium der Architektur (TU Wien, Abschluss 1985) bleiben Architektur und Literatur die Arbeitsschwerpunkte Widders, die seine publizistische Tätigkeit ausmachen und ihn mit Vorträgen an in- und ausländische Universitäten führen. Während eines Studienaufenthalts in den USA und Lateinamerika entstand der in der edition neue texte erschienene Lyrikband liber tropicus (1983). Der das Titelblatt zierende toltekische Kopf aus dem mexikanischen Tula verweist auf topografische und kulturelle Kontexte, welche die Bildwelt der Gedichte kennzeichnen. Trotz dieser kontextuellen Fixierung sind manche Texte hermetisch und durchzogen von surrealistisch anmutenden Bildern - in felsenzeichungen 2 heißt es: "jede nacht altert ein canyon in einem keramischen haus, / ein adler kreist wie eine quadratmeile sand. / vier gelbe katzen sind der mond." (1983, 11) Das Interesse am Sprachexperiment setzt sich fort in Widders Arbeiten über Christian Loidl (Klasse über Christian Loidl, Wiener Schule für Dichtung 2002; Ausstellungsgestaltung mit Klaus Hollinetz, StifterHaus 2003) sowie in der Herausgabe einer Anthologie von Texten der Beat-Generation.
Im folgenden Band Handgerede (1991) manifestiert sich die Abkehr vom sprachlichen Experiment; er führt in die nördlichen Landschaften Irlands oder Schottlands, doch auch hier birgt die Besinnung auf archaische Orte und Kulturen keine sentimentale Rückkehr in verloren geglaubte Ursprünglichkeit, sondern verbindet sich mit Motiven der Suche: "ein klang hielt an als wäre / er außerhalb von mir / aber er war drinnen / wo ich nicht hingelangen konnte." (1991, 12) Über die scheune schreibt Widder später, das Gedicht enthalte "eine mögliche Summe an Konkretheit, an Gegenwärtigkeit, die in ihrer Wirklichkeit zu erfassen mir jahrelang als Arbeit des Dichters erschienen ist" (1995, 132). Diese Konkretheit setzt sich fort in Notizen für eine Landschaft (1998), wo der Sprecher oftmals Beobachter von Landschaften, Räumen und Licht ist: "im scharfen gegenlicht schwarz, / sah ich den wechsel zwischen kalkweiß / und lehmbraun, der über die mauern spielte." (1998, 22), heißt es in dem Gedicht san geronimo de taos. Nicht selten lässt sich in diesen Gedichten der Blick des Architekten ahnen.
Widder erhielt u. a. folgende Auszeichnungen und Preise: Nachwuchsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst 1983, Kunstförderungsstipendium der Stadt Linz für Literatur 1987, Talentförderungsprämie des Landes OÖ. 1988, Österreichisches Staatsstipendium für Literatur 1989 und 1996, Wiener AutorInnenstipendium 1990 und 1999, Projektstipendium für Literatur 2002, Kulturwürdigungspreis der Stadt Linz für Literatur 2012.
Johanna Öttl
Liber Tropicus. Gedichte. Linz 1983. - Handgerede. Gedichte. Mödling 1991. - Beat. Dichtung. Stainach 1991. Hg. gem. mit Rainer Vesely. - Vorbire de la distanţă. Sprache aus Entfernung. Gedichte. (Deutsch / Rumänisch). Bukarest 1995. - Musik in Ouessant / Bretonisches Journal. Klagenfurt, Wien 1997. - Notizen für eine Landschaft. Gedichte. Wien 1998. - Herbert Bayer. Architektur, Skulptur, Landschaftsgestaltung. Wien 2000. - Querungen. Literarische Texte zu beiden Amerikas. Hg. gem. mit Rainer Vesely. 2001. - Ahoi Herbert! Bayer und die Moderne. Hg. gem. mit Elisabeth Nowak-Thaller. Weitra 2009. - handgerede. slang of hands. Gedichte. Wels 2009.
Bernhard Widder. podium porträt 86. Wien 2015. - Federmair, Leopold: Bedächtigkeiten. Bernhard Widders Bretagne-Diptychon. In: Literatur und Kritik 1998, H. 329/330, 83-84. - Hell, Cornelius: Wegzeichen. In: Die Furche, 28.5.1992. - Loidl, Christian: Worte, an Felsen geprüft. Lyrik von Bernhard Widder. In: Die Presse, Spectrum, 14./15.12.1991. - Riese, Katharina: Bernhard Widder: Notizen für eine Landschaft. In: Literaturhaus Wien. Buchmagazin online, 30.6.1998.