Das Schultheater verfolgte humanistische und religiöse Ziele, zunächst vor allem in Verbindung mit dem sich ausbreitenden Protestantismus. Wesentliche Impulse gab Martin Luther (1483-1546), der im Spiel die Möglichkeit der Erbauung sah. So nutzte man das Schulspiel auch zur Festigung des (protestantischen) Glaubens und zu seiner Ausbreitung, während die humanistischen Spiele vor allem der Übung der lateinischen Sprache dienten.
Vor der Reformation waren vor allem Klöster die Zentren der Schulbildung. Wie die Lektüreanschaffungen in Oberösterreich erkennen lassen, verbreitete sich die humanistische Gesinnung besonders um die Wende vom 15. zum 16. Jh. u. a. in Kremsmünster, Lambach, Ranshofen oder in Mondsee, wo 1514 das erste Gymnasium Oberösterreichs gegründet wurde. Eine Aufführung antiker Komödien, die als Lektüre vorgesehen waren, ist jedoch nicht nachweisbar. Mit der Verbreitung der Reformation verloren die Klöster ihre prominente Position, die Klosterschulen verfielen, während sich die protestantischen Lateinschulen der Städte entfalteten. Sie orientierten sich besonders an den entsprechenden Schulen in Wittenberg oder Straßburg. Nun entstanden Theaterzentren in Oberösterreich, zunächst an weltlichen, dann - verbunden mit der Gegenreformation, die erst gegen Ende des 16. Jhs. in Oberösterreich einsetzte - an Ordensschulen. Bis ins 18. Jh. prägten und ergänzten Schulaufführungen die regionale Theaterlandschaft, u. a. mit Zentren in Linz und Steyr. Besonders im 16. Jh. führten protestantische Schulmeister deutschsprachige Dramen zur Glaubensstärkung und lateinische zur pädagogischen Übung auf, jedoch ermöglichte die Erneuerung der Klöster auch ein katholisches Schultheater ab dem ausgehenden 16. Jh., so im Augustiner-Chorherrnstift Ranshofen und in den Benediktinerklöstern Lambach und Kremsmünster. Im frühen 17. Jh. folgten das Benediktinerstift Garsten und Steyr, wo die Jesuiten ein Gymnasium gründeten.
Große Bedeutung hatte im Barock das Schultheater in Kremsmünster. Es orientierte sich am jesuitischen Vorbild und zeigte italienische und volksspielhafte Einflüsse. Bereits 1647 gab es nicht nur einen "Pater comicus", Pater Ernest Leopold, sondern einen eigenen Theatersaal. Als erste erhaltene Finalkomödie (Theateraufführung am Ende des Schuljahres) gilt das Stück Nuptiae grammaticae (1650). Beliebte Stoffe waren Heiligenlegenden. Allegorische Szenen werden erstmals im Eustachio (1673) zu einer eigenen Nebenhandlung gestaltet. Komische Figuren bzw. Episoden bilden hier ein über das Drama verteiltes Intermedienspiel in Mundart. Simon Rettenpacher, "Pater comicus" in Kremsmünster von 1681-89, führte das Schultheater Oberösterreichs zum Höhepunkt. Griechisch galt nun als gleichberechtigte Schul- und Schuldramen-Sprache. Wort, Musik, Tanz und bewegtes Bild sollten ein theatralisches Gesamtkunstwerk bilden. Zu Rettenpachers Werken zählen Callirrhoe (1677), Ulysses (1680) und Juventus (1682). Seine Vorliebe für die jüngere und ältere Historie zeigt sich in Frauen-Treu (1681, erstes rein deutschsprachiges Drama auf einer Ordensbühne in Oberösterreich) oder in Miltiadis gloria (1684). Charakteristisch für das Theater Kremsmünsters im 18. Jh. waren die zahlreichen Ballett- und Tanzeinlagen. Nach dem landesherrlichen Verbot von Finaldramen (1765) spielte man italienische Opern. Besondere Bedeutung erlangten die "Patres comici" Johannes Weylgoune (David; Hannibal, 1744; Godefredus, 1748), Theophilus Dückern (Richardus, 1749; Lazarus, 1752; Floridus, 1757) und Matthias Pregg (Demetrius, 1762; Fulvius, 1764). 1803 kam es zur Auflösung der Stiftsbühne, die in ihrem Repertoire Studenten- und Erziehungsstücke, bürgerliche und vaterländische Dramen, Opern, Possen und Singspiele hatte. Bürgerliche Laien und Studenten spielten seit 1787 zunehmend gemeinsam. Das Publikum, das sogar aus Linz anreiste, war zunächst nur geladen, später erhob man Eintrittsgeld.
In Lambach erreichte das Stiftstheater erst im 18. Jh. seine Glanzzeit, vor allem durch die Stücke von P. Maurus Lindemayr. Schultheater gab es zudem u. a. im Stift St. Florian und im Stift Schlägl.
Die Wahl von Linz als Residenzstadt durch Kaiser Friedrich III. (1485-1493) förderte das kulturelle Leben. 1542 wurde die Landschaftsschule im Schloss Luftenstein auf Anregung von Philipp Melanchton (1497-1560) gegründet. Ab 1566 im Minoritenkloster beheimatet, wirkten bald namhafte Gelehrte an ihr, darunter seit 1578 der Humanist Georg Calaminus, der wie Conrad Celtis (1459-1508) von der pädagogischen Wirksamkeit antiker Dramen überzeugt war. Die Dichterkrönung erlangte er mit Rudolphottocarus (1594), zahlreiche Aufführungen seiner Schuldramen sind belegt, z. T. noch posthum. Seiner ersten Schulaufführung in Linz, Carmius sive Messias in praesepio (1578), einem Weihnachtsspiel, folgte 1579 die einaktige Ekloge Philomelus, ein Dialogspiel zwischen zwei Hirten.
Die Katholische Schule in Linz (später Jesuitengymnasium) eröffnete Pater Johannes Zehetner 1608. Die Rhetorikklasse, für die auch das Schulspiel vorgesehen war, wurde 1623 etabliert. 1647 verlieh Kaiser Leopold I. der Anstalt Universitätsrechte. Im Jesuiten-Drama und -Schulspiel verbanden sich Ziele des (katholischen) Humanismus mit denjenigen der Gegenreformation. Antike poetologische Regeln, die Jakob Masen (1606-1681) erweiterte, boten literarische Orientierung. Die Bühne sollte als Vorbild wirken und der sittlichen Besserung dienen. Etwa 435 Aufführungen (darunter wohl viele nur schulintern) sind in Linz nachweisbar, 272 Dramentitel sind bekannt, doch nur wenige gedruckt erhalten. Oft existieren nur Szenarien (Inhaltsangaben) oder Periochen (ähnlich Programmheften). Die meist lateinisch verfassten Dramen behandeln Heiligenlegenden, historische, sagenhafte, alttestamentliche und allegorische Stoffe. Eines der überlieferten Dramen, der anonym verfasste Staurophilus ("Kreuzesverehrer", 1614) greift den Stoff des verlorenen Sohnes am Beispiel eines Linzer Kaufmannssohnes auf. Namentlich bekannte Verfasser jesuitischer Schuldramen sind u. a. im 17. Jh. Peter Stergler, Ignaz von Thonhausen, im 18. Jh. Anton Maurisperg oder Joseph Sellenitsch. Im 18. Jh. wandte man sich auch antiken Stoffen zu (Paris, 1755; Pyrrhus, 1757), Dramensprache blieb Latein. Eine Aufführung dauerte 45 Minuten bis drei Stunden. Anlässe waren die Prämienverteilung an die besten Schüler, Feste oder prominente Besuche. Erst seit 1703 gab es in dem an die Ignatiuskirche angebauten Jesuitenkolleg einen eigenen Theatersaal, vorher spielte man auch im Speisesaal. 1760 verbot ein kaiserliches Dekret das Theaterspiel der Jesuiten, daher kann Eustachius Martyr (Druck 1764, Linz) als letzte Schulaufführung der Jesuiten in Österreich gelten.
Prominent in ganz Österreich war das protestantische Schultheater in Steyr, mit der Glanzzeit unter Thomas Brunner und Georg Mauritius an der dortigen Lateinschule. Sie verfassten vor allem Dramen in deutscher Sprache, wobei Brunner (in Steyr 1558-71) besonders alttestamentliche Stoffe (z. B. Jakob, 1566) behandelte. Nach ihm wirkte der mehr kämpferisch gesinnte Protestant Mauritius bis 1599 als Rektor der Schule (z. B. Comoedia von dem Schulwesen, 1578; Nabal, 1586; Josaphat, nach 1595). Die Jesuiten eröffneten 1632 eine Schule in Steyr. 1633 folgten erste Aufführungen mit einer ähnlichen Stoffwahl wie in Linz. Es ist allerdings kein Drama erhalten. Auch für das 18. Jh. ist die Überlieferungssituation für Steyr prekär, doch waren die Aufführungen einem größeren Publikumskreis zugänglich. Die große Zeit der Schultheater war Ende des 18. Jh. mit der vermehrten Bedeutung von Berufstheatern freilich zu einem Ende gekommen.
Maria Dorninger
Ebner, Helga; Ebner, Jakob; Weissengruber, Rainer: Literatur in Linz. Eine Literaturgeschichte. Linz 1991. - Fröhler, Josef: Das Linzer Jesuitendrama 1608-1773. Stoffe und Motive. In: Historisches Jahrbuch Linz 1997, S. 11-72. - Ders.: Überlieferte Linzer Jesuitendramen I. In: Historisches Jahrbuch Linz 1957, S. 69-129. - Ders.: Überlieferte Linzer Jesuitendramen II. In: Historisches Jahrbuch Linz 1985, S. 122-128. - Ders.: Überlieferte Jesuitendramen III. In: Historisches Jahrbuch Linz 1993, S. 11-58. - Ders.: Zur Geschichte der Schule und des Schuldramas der Jesuiten in Steyr (1630-1773). In: Oberösterreichische Heimatblätter 1955, S. 131-146. - Ders.: Zur Schauspieltätigkeit der Studenten am Linzer Jesuitengymnasium. In: Historisches Jahrbuch Linz 1955, S. 197-270. - Fuhrich, Fritz: Theatergeschichte Oberösterreichs im 18. Jahrhundert. Mit einem Anhang: Spielplan-Regesten und 33 Abbildungen auf 20 Tafeln. Wien 1968. - Pfeffer, Franz: Die Heimstätte der evangelischen Landschaftsschule in Linz. Zur Geschichte des Linzer Landhauses. In: Oberösterreichischen Heimatblätter 1952, S. 129-145. - Schardinger, Hermann: Studie zur Geschichte des Linzer Gymnasiums aus der Zeit der Landschaftsschule. In: Historisches Jahrbuch Linz 1957, S. 31-68. - Stumpfl, Robert: Das alte Schultheater in Steyr im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation. Linz 1933.